Ministerpräsident Winfried Kretschmann erwartet keine großflächigen Fahrverbote in Deutschland. In einigen Städten wie in Stuttgart könnte es aber Fahrtbeschränkungen geben. Das sei kein Grund zu Panikmache.

Berlin - Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hält die Forderungen nach einer Hardware-Nachrüstung für ältere Dieselfahrzeuge für wenig realistisch. Kretschmann sagte auf einer Veranstaltung des Verbands der Automobilindustrie (VDA) in Berlin, er sei skeptisch, dass Dieselfahrzeuge in angemessener Zeit nachträglich mit einem Katalysator ausgestattet werden könnten. Die Grünen und auch die geschäftsführende Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) fordern die Katalysatoren.

 

Kretschmann begründete seine Bedenken damit, dass schon die von der Industrie zugesagte Software-Nachrüstung von 5,3 Millionen Dieselautos mehr Zeit als erwartet beansprucht. Die Industrie hatte auf dem Dieselgipfel im August 2017 die Software-Nachrüstung versprochen. Bisher sind rund 2,8 Millionen Dieselautos umgerüstet. Kretschmann zufolge habe bisher in erster Linie Volkswagen die Vorgaben umgesetzt. VW wurde wegen der Abgasmanipulationen zum Software-Update verpflichtet. Andere Unternehmen bieten die Nachrüstung freiwillig an. „Bei den anderen Herstellen stockt die Software-Nachrüstung“, sagte Kretschmann. Die Landesregierung führt dies auf die schleppende Freigabe durch das Kraftfahrt-Bundesamt zurück. Wenn schon die Software-Lösung dauert, werde sich der Umbau des Motorraums zu lange hinziehen.

Der VW-Vorstandschef Matthias Müller bekräftigte auf der VDA-Veranstaltung seine ablehnende Haltung. Eine Hardware-Nachrüstung werde zwei bis drei Jahre in Anspruch nehmen. Bis dahin werde sich die Luft durch die auf dem Dieselgipfel beschlossenen Maßnahmen deutlich verbessern. Eine Hardware-Nachrüstung sei eine Operation am offenen Herzen, meinte Müller. In den neuen Euro-6-Dieseln kämen viele Chemikalien zum Einsatz. Ein nachträglicher Einbau sei schwierig. Bei Umrüstungskosten von 1500 bis 7000 Euro sei die Hardware-Lösung für die Automobilindustrie nicht zu verkraften. Volkswagen habe in den USA für Strafen und Entschädigungen 25 Milliarden Euro zahlen müssen. „Wir können nicht noch einmal 17 Milliarden Euro für die Hardware-Nachrüstung ausgeben“, sagte der Konzernchef.

Einigkeit bei der Blauen Plakette

Kretschmann rief mit Blick auf die Diskussion um Fahrverbote zur Versachlichung auf. Er erwarte keine großflächigen Fahrverbote in Deutschland. Nach seiner Einschätzung werde es in einigen Städten Fahrtbeschränkungen geben. Das sei kein Grund zur Panik. In vielen Städten habe sich die Luft signifikant verbessert. Es sei absehbar, dass viele Städte mit dem bisherigen Maßnahmen die Grenzwerte unterschreiten. Es werde aber auch Kommunen geben, in denen Verkehrsbeschränkungen unerlässlich seien. Diese erwartet Kretschmann aufgrund der Kessellage auch für Stuttgart. In der Debatte werde aber übertrieben. Für Handwerker und sogar Pizza-Lieferanten werde es Ausnahmen geben.

Einig zeigten sich Kretschmann und VW-Chef Müller, dass mit der Blauen Plakette eine bundeseinheitliche Kennzeichnungspflicht für die Autos geschaffen werden soll, die freie Einfahrt garantiert. Kretschmann wirbt seit Langem für die Blaue Plakette. Der Ministerpräsident und der VW-Chef sind zuversichtlich, dass Dieselautos mit der Euro-5- und Euro-6-Norm die Blaue Plakette erhalten könnten. Wenn ältere Diesel der Euro-5-Norm mit dem Software-Update nachgerüstet werden, entsprächen sie einem hohen Standard.

VW-Chef Müller mahnte, die Industrie nicht an den Pranger zu stellen. Jeder Einzelne müsse sein Verhalten ändern. Müller, der in Wolfsburg arbeitet und nach wie vor in Stuttgart lebt, nimmt sich nicht aus. Früher sei er an freien Samstagen mit dem Auto in Stuttgarts Innenstadt gefahren. Inzwischen bevorzuge er die Stadtbahn. „Das macht sogar Spaß“, so der VW-Chef.