Autohändler durften Diesel-Kunden nicht mit einem Software-Update abspeisen. Sie haben Anspruch auf ein fabrikneues Fahrzeug, hat das OLG Karlsruhe entschieden. Das Urteil gegenüber VW könnte auch für Mercedes-Kunden hohe Relevanz haben.

Politik/ Baden-Württemberg: Christian Gottschalk (cgo)

Karlsruhe - Volkswagen muss betrogenen Dieselfahrern auch dann ein Neufahrzeug anbieten, wenn diese ihr mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattete Auto jahrelang benutzt haben. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe am Freitag in drei Fällen durch Urteil entschieden. Es ist das erste Mal, dass ein deutsches Obergericht diesen Weg geht – und die erste Entscheidung dieser Art, nachdem der Bundesgerichtshof im Januar dieses Jahres erklärt hatte, dass die mit Betrugssoftware ausgestatteten Fahrzeuge per se mangelhaft seien.

 

Der Bundesgerichtshof hatte diesen Weg in einem – rechtlich nicht bindenden – Hinweisbeschluss für den Fall aufgezeigt, dass der Tausch nicht „völlig unverhältnismäßig“ sei. Das OLG hat nun entschieden, dass die beklagten Vertragshändler einen 2009 gekauften VW Touran, einen 2011 gekauften VW Sharan und einen 2013 gekauften Audi A3 jeweils durch „fabrikneue, typengleiche Ersatzfahrzeuge aus der aktuellen Serienproduktion“ ersetzen müssen. Die Autohäuser hatten im Prozess angegeben, dass sich die Kosten für die Nachbesserung auf bis zu 20 800 Euro belaufen, erklärt eine Sprecherin des Gerichts gegenüber unserer Zeitung. Diese Kosten beinhalteten den Preis für den Neuwagen abzüglich des Erlöses für das zurückzugebende Fahrzeug. Das Gericht bewertete dies in seinem Urteil als „nicht unverhältnismäßig“, zumal ein Softwareupdate im Jahr der Klageerhebung nicht zur Verfügung stand.

Kein ersatz für gefahrene Kilometer

Das Oberlandesgericht entschied nicht nur, dass die Kläger mit Neuwagen zu entschädigen seien, die im Preis deutlich über dem Preis der ursprünglichen Fahrzeuge lagen. Es lehnte zudem ausdrücklich einen Nutzungsersatz für die mit dem Altfahrzeug zurückgelegten Kilometer ab. Volkswagen nannte die Urteile „rechtsfehlerhaft“ und kündigte Revision an.

Neben den so genannten Neulieferungsklagen, wie sie jetzt in Karlsruhe entschieden wurden, kämpft VW noch an zahlreichen anderen Fronten. Am 30. September beginnt in Braunschweig eine Musterfeststellungsklage, zudem wird Volkswagen vor mehreren Gerichten wegen sittenwidriger Schädigung angegangen. Nach Angaben von VW lassen die heutigen Entscheidungen des Oberlandesgerichts Karlsruhe keine Rückschlüsse auf den Ausgang bei Klagen gegen die VW AG aus Deliktsrecht zu, vor allem auch nicht auf die Musterfeststellungsklage.“ Der Musterklage des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen haben sich inzwischen knapp 420 000 Dieselhalter angeschlossen. Sie beginnt am 30. September vor dem Oberlandesgericht Braunschweig. Sollte das Oberlandesgericht zugunsten der Musterklägerin entscheiden, müssen die anderen Kläger ihre Ansprüche jeweils selbst vor Gerichten geltend machen. Volkswagen rechnet mit einem langen und aufwändigen Verfahren, das sich bis zu endgültigen Urteilen fünf Jahre hinziehen kann.

Bei Mercedes sind die Fristen anders

Nach Angaben des Rechtsanwaltes Ralph Sauer, dessen Kanzlei alle drei am Freitag in Karlsruhe entschiedenen Fälle betreut hat, ist die Entscheidung des OLG weit über den Einzelfall hinaus von Bedeutung – vor allem für Stuttgart. „Für alles, was mit Daimler zu tun hat ist das relevant“, sagt Sauer unserer Zeitung. Die Rückrufe von Mercedes seien in diesem Zusammenhang „zumeist nicht älter als zwei Jahre“, die Verjährungsfristen, die in den meisten Fällen mindestens drei Jahre betrügen, seien daher „noch nicht abgelaufen“, so der Anwalt.