Für Handwerker gilt eine pauschale Ausnahmegenehmigung vom Verkehrsverbot für bestimmte Dieselfahrzeuge. Einer sollte dennoch zahlen, und zog dagegen vor Gericht.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Wenn’s pressiert, dann passiert’s: Dieser Sinnspruch passt auf das, was einem Handwerker aus Korb (Rems-Murr-Kreis) im Frühjahr 2019 widerfahren ist. Er hatte es eilig – zu eilig – und wurde auf der Pischekstraße geblitzt, mit Tempo 56 statt 50. Dafür ein Bußgeld zu bezahlen, das sah der 73-Jährige ein und bezahlte. Doch dass er für einen Verstoß gegen das Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge mit Euronorm vier und schlechter zur Kasse gebeten werden sollte, das sah er nicht ein. Er ließ es auf ein Verfahren am Stuttgarter Amtsgericht ankommen – und hatte Erfolg: Der Richter stellte das Verfahren ein.

 

Der Handwerker arbeitet als angestellter Bauleiter für ein Unternehmen, das zum Zeitpunkt des Blitzerfotos an der Pischekstraße Baustellen unter anderem in Dagersheim und Feuerbach hatte. Für diese war der Klempner- und Installateurmeister zuständig. „Da muss man immer was von der einen zur anderen Baustelle befördern, oder unterwegs besorgen“, sagte er. Deswegen habe er die Fahrten nur mit dem Auto erledigen können.

Dieses jedoch darf nicht mehr durch Stuttgart fahren, weil es in die vom Verbot betroffenen Schadstoffklassen fällt. Werkzeuge, Maschinen, aber auch Waschbecken und gar Toilettenschüsseln müsse er bringen, wenn es daran auf den Baustellen fehle, so der Handwerker. Er habe sich beim Arbeitgeber erkundigt, wie es ausschaue, sagte der Klempner- und Installateurmeister. Da hieß es, die Firma habe bei der Stadt für alle Mitarbeiter eine Ausnahmegenehmigung einholen wollen und die Antwort bekommen, dass dies nicht notwendig sei. Handwerker seien ausgenommen, wenn sie Material zu den Baustellen transportieren.

Die Stadt weist den Einspruch des Handwerkers zurück

„Ich kann ja schlecht in die Stadtbahn einsteigen und eine Kloschüssel hinter mir herziehen“, sagte der Bauleiter. Daher habe er das Auto genommen und das Material hineingepackt. „Ich war in Stuttgart immer nur für die Firma unterwegs“, beteuerte er. Der Richter sagte, das glaube er, denn dafür spreche ja schon die Uhrzeit: Um 10.39 Uhr hatte der Blitzer bei Lichtmast 43 an der Pischekstraße ausgelöst, „das ist ja in der Arbeitszeit“. Der Handwerker bezahlte für die Geschwindigkeitsübertretung. „Das akzeptiere ich“, sagte er auch in der Verhandlung am Mittwoch. Jedoch legte er Widerspruch gegen das Bußgeld wegen des unerlaubten Fahrens in der Verkehrsverbotszone ein. Die Stadt, der er seinen Arbeitsvertrag geschickt hatte, ließ diesen nicht gelten: „Es kam zurück, dass meine Begründung nicht stichhaltig genug sei“, erzählte der 73-Jährige. Der Richter nahm das mit Erstaunen zur Kenntnis: „Mich wundert es, dass das nicht schon vorher geklärt werden konnte“, sagte er. Er stellte das Bußgeldverfahren ein. Dazu musste der Handwerker jedoch noch seinen Einspruch gegen das Bußgeld wegen der Geschwindigkeitsüberschreitung zurücknehmen – den dieses Verfahren konnte der Richter nicht einstellen. Gesagt, getan, und der Handwerker fuhr nach der Verhandlung im Diesel zur nächsten Baustelle weiter, ohne ein Bußgeld zu bezahlen.

Das Dieselfahrverbot ist in Stuttgart seit Januar 2019 in Kraft. Im ersten Monat wurden noch keine Bußgelder verhängt. Seit Februar muss jedoch bezahlen, wer dagegen verstößt. Knapp 3000 Bußgelder sind inzwischen verhängt worden. Wenn jemand einen anderen Verstoß wie Falschparken oder zu schnelles Fahren begeht, wertet die Stadt im Bußgeldverfahren aus, ob das Auto auch vom Fahrverbot betroffen ist.