Jahrzehntelang war er nur die Ulknudel, oft genug wurde er von der Kritik abgewatscht. Dass er nun für seine ernste Rollen gefeiert werde, erfülle ihn schon mit „ein wenig Genugtuung“, sagt der 83-Jährige, der jetzt in einer ZDF-Tragikomödie zu sehen ist.

Stuttgart - Lange Zeit war er nur Didi, der Blödelkomiker. Erst Kino-Glanzstücke wie „Sein letztes Rennen“ oder „Honig im Kopf“ brachten für ihn die Wende. Jetzt spielt er im ZDF (9. Mai, 20.15 Uhr) einen Grantler und Nörgler. Im Interview erzählt der 83-Jährige, warum er Akribie und Ehrlichkeit für den Publikumserfolg für unabdingbar hält.

 

Herr Hallervorden, warum mussten Sie erst ein alter Mann werden, um als ernsthafter Schauspieler entdeckt zu werden?

Ich wusste schon auf der Schauspielschule, dass ich das Zeug hatte, dramatische Rollen zu spielen, aber in der Film- und Fernsehbranche herrscht ein ausgeprägtes Schubladendenken. Redaktionen und Regisseure sind nur selten bereit, eine Rolle auch mal gegen den Strich zu besetzen. Erst Kilian Riedhof hat erkannt, dass hinter meinen Darbietungen mehr steckt als „nur“ Slapstick. Er hat mir mit seinem Film „Sein letztes Rennen“ den Einstieg in eine Karriere ermöglicht, die mir viele Leute nicht zugetraut haben. Wobei ich dazusagen muss: Es war mir immer am wichtigsten, dass die Zuschauer mir die Treue halten.

Sind Ihre ernsten Rollen für die alten Didi-Fans ein Kulturschock?

Nicht, wenn sie bereit sind, sich gemeinsam mit mir auf neue Herausforderungen einzulassen. Mindestens genauso spannend finde ich aber, dass mich zum Beispiel mit „Honig im Kopf“ viele junge Menschen neu entdeckt haben. Auf diese Weise dauert meine Karriere nun schon 60 Jahre; nicht schlecht für eine Branche, in der manche wie Raketen aufsteigen, aber genauso schnell wieder verglühen.

Wenn Sie schon früher gern ernste Rollen gespielt hätten: Warum haben Sie keine eigenen Projekte angestoßen?

Ich kann zwar Sketche schreiben, aber für eine neunzigminütige Filmhandlung reicht meine Begabung als Autor nicht aus. Da ich selbst keine Filme produziere, war ich darauf angewiesen, dass mir irgendwann Projekte wie jetzt „Mein Freund, das Ekel“ angeboten werden. Die ZDF-Komödie „Mein Freund, das Ekel“ balanciert auf dem schmalen Grat zwischen Schmunzeln und tiefer Rührung, so etwas liegt mir sehr. Der pensionierte Lehrer, den ich verkörpere, ist außerdem eine sehr vielschichtige Figur. Einfach nur ein Ekel zu spielen hätte mich überhaupt nicht gereizt.

„Ich spiele nicht des Geldes wegen“

Sind Sie bei der Rollenauswahl zu Kompromissen bereit?

Mit zunehmendem Alter immer weniger. Ich muss zum Glück nicht mehr arbeiten. Ich spiele also nicht des Geldes wegen, sondern weil es mir Spaß macht. Deshalb nehme ich prinzipiell nur noch Angebote an, bei denen ich weiß: Wenn der Film ausgestrahlt wird, muss ich mich nicht ins Ausland verdrücken.

Wie groß ist Ihr persönlicher Einfluss auf eine Figur wie den Lehrer Hintz?

Ich bearbeite meine Dialoge, damit sie für mich mundgerecht klingen, und nehme gewisse Veränderungen vor, die mir plausibel erscheinen, aber natürlich in Absprache mit Autor und Regisseur. Das war in diesem Fall ein und derselbe, Marco Petry, und um Missverständnissen vorzubeugen: Die Anerkennung für die Qualität des Films gebührt allein ihm. Hintz ist nach einem Schlaganfall halbseitig gelähmt.

Wie erarbeiten Sie sich so eine Rolle?

Fleiß ist die Basis von allem, deshalb bereite ich mich stets akribisch vor. Ich habe präzise Vorstellungen, wie die Arbeit der Maskenbildnerin aussehen soll, wie ich den Rest meines verbliebenen Haares tragen will und welche Mittel ich einsetze, um eine Figur authentisch zu gestalten. Das ist womöglich das Wichtigste, denn wenn die Zuschauer das Gefühl haben, das ist alles nur oberflächlich gespielt, wird es sie nicht berühren. Um die Seele des Publikums zu erreichen, muss man so ehrlich wie möglich sein.

Sie sind 83. Werden Dreharbeiten nicht langsam zu anstrengend?

Im Gegenteil, und das nicht nur, weil ich Spaß an der Arbeit habe, schließlich habe ich mein Hobby zum Beruf gemacht. Ich leite seit 60 Jahren das Kabarett Die Wühlmäuse und seit zehn Jahren das Berliner Schlosspark-Theater. Ich gestalte den Spielplan mit 70 Vorstellungen im Jahr, das heißt: Stücke lesen, über Rechte verhandeln, die Rollen besetzen und den richtigen Regisseur finden. Dreharbeiten sind für mich wie Urlaub.

Mit viel Sport hält er sich fit

Eine gute Gesundheit hilft sicher auch. Sie wirken sehr fit, was tun Sie dafür?

Ich beginne jeden Tag mit einer Stunde Sport mit Trimmradfahren und Schwimmen, anschließend Sauna und Magnetfeldtherapie; das hilft, dem Verschleiß vorzubeugen. Genauso wichtig ist eine positive Grundeinstellung, getreu meinem Lebensmotto: „Immer mindestens einmal mehr aufstehen als hinfallen.“ Niemals aufgeben, die einmal gesteckten Ziele hartnäckig verfolgen, sich immer vor Augen halten: Ich will, und ich kann!

Mussten Sie oft wieder aufstehen?

Jedenfalls öfter, als mir lieb war. Ich hatte jahrzehntelang mit Kritikern zu tun, die mir ständig Knüppel zwischen die Beine geworfen haben. Die Narben sind zwar inzwischen verheilt, aber ich habe nicht vergessen, dass ich verbal ziemlich oft zu Boden gestoßen worden bin.

Wie steht man so was durch?

Man sollte über ein ordentliches Selbstbewusstsein verfügen und erkennen können, wann eine Kritik berechtigt ist und wann sie übers Ziel hinausschießt; oft gilt sie auch gar nicht der Sache, sondern vor allem der Person. Solange ich mein Publikum erreicht habe, konnte ich mit den negativen Kritiken immer leben.

Und plötzlich werden Sie als ernst zu nehmender Schauspieler gefeiert. Hat Sie das mit Genugtuung erfüllt?

Wenn man so lange abgewatscht worden ist, und plötzlich ergehen sich die gleichen Publikationen in Lobeshymnen: Dann darf man guten Gewissens ein wenig Genugtuung empfinden. Glücklicherweise habe ich die große Begabung, Lob und Anerkennung in unbegrenztem Maß ertragen zu können.