Zwei Bundesminister wollen wissen, wie digital die Schulen in Deutschland sind und wo es Nachholbedarf gibt. Für ihren Zweck spannen sie die Rektoren ein. Das gibt Ärger.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Stuttgart - Da hat der Deutsche Städtetag nicht schlecht gestaunt. Kurz vor knapp, nämlich zwei ganze Tage vor der Bundestagswahl, haben Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) und ihr CSU-Kollege für Verkehr und digitale Infrastruktur Andreas Scheuer dem Spitzenverband einen Brief geschickt. Das Begehr der beiden Bundesminister: Sie wollen abfragen, wie der Digitalisierungsgrad der mehr als 40 000 Schulen in Deutschland ist. „Dazu haben wir eine Datenerhebung bei allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen sowie Förderschulen aller Trägerschaften vorbereitet“, heißt es in dem Schreiben, das unserer Zeitung vorliegt.

 

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Pikant daran: Karliczek und Scheuer haben ihre Umfrage, die über ein eigens eingerichtetes Portal beim Bundesverkehrsministerium abgewickelt werden soll, an den zuständigen Länderministern und den kommunalen Schulträgern vorbei direkt an die Schulen gerichtet. Ein Schreiben an die „sehr geehrten Schulleitungen“ mit der Bitte um rege Beteiligung liegt dem Brief an den Städtetag bei.

Ministerbrief schlägt Wellen

In dem Infobrief des Städtetags an seine Mitglieder wird die Tatsache, dass die bundeseigene Abfrage, „direkt die Schulen nicht die Schulträger“ adressiert, gleich ganz zu Anfang herausgestellt. Das zeigt, wie befremdet der kommunale Spitzenverband über das Vorgehen der beiden Bundesminister ist. In Baden-Württemberg schlägt die Sache ebenfalls Wellen und der Bildungsreferent des hiesigen Städtetags, Norbert Brugger, gibt seiner Verwunderung im Brief an seine Mitgliedsstädte unmissverständlich Ausdruck. Er nennt das Vorgehen „beispiellos“. Brugger erkennt zwar an, dass der Bund mit dem Digitalpakt und diversen Corona-Sonderpaketen Milliarden für die Digitalisierung des Bildungswesens bereitstellt. Er spottet außerdem sanft darüber, dass eine „Umfrage der Kultusministerkonferenz zu deren Digitalisierungsstand für den Bund offenkundig keine ausreichenden Erkenntnisse geliefert“ habe. „Vor diesem Hintergrund ist das beispiellose Vorgehen des Bundes zu erklären, Daten zum Digitalisierungsgrad der Schulen im Bereich Breitbandversorgung über die Länder sowie kommunalen und freien Schulträger hinweg direkt bei den Schulen zu erheben.“

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Auf den ersten Blick mag man das als Petitesse einstufen. Aber so einfach ist es nicht. Denn das Grundgesetz garantiert Städten und Gemeinden das Recht zur kommunalen Selbstverwaltung (Artikel 28); Artikel 84 ergänzt, dass der Bund den Kommunen Aufgaben nicht durch Bundesgesetz übertragen darf. Nun geht es hier nicht um ein Gesetz, sondern nur um eine Anfrage, aber comme il faut ist es nicht, dass die beiden Bundesminister nun Schulen, die verwaltungstechnisch noch unterhalt der kommunalen Ebene liegen, eine Aufgabe stellt.

Letzte Erhebung vor 15 Jahren

Dabei lässt der Städtereferent im Südwesten durchblicken, dass er auf aktuelle und belastbare Daten zur Digitalisierung der Schulen in Deutschland und im Südwesten gespannt wäre. „Die bislang letzte Vollerhebung in Baden-Württemberg zur digitalen Ausstattung von Schulen datiert von 2006“, schreibt er in seinem Brief. „Viele Aufforderungen des Städtetags zu deren Wiederholung verhallten in den seitherigen 15 Jahren.“

Tatsächlich ist die Datenlage, wie es um den Digitalisierungsgrad der Schulen steht lückenhaft. Zwar gibt es immer wieder Umfragen oder Studien, die Schlaglichter auf die digitale Ausstattung der Schulen werfen. Aber ein klares, durch statistische Daten untermauertes Bild über die Gesamtlage gibt es nicht. „Damit die Pandemiefolgen für unser Bildungssystem abgemildert und die weitere Digitalisierung an Schulen zügig vorangetrieben werden kann, möchte sich der Bund ein aktuelles und umfassenderes als das bisher vorliegende Bild machen“, schreiben Karliczek und Scheuer an die Rektoren gewandt.

Die beiden Minister wollen ihre Umfrage unter den gut 40 000 Schulen der Republik bis zum 1. November abgeschlossen haben. Die Ergebnisse wollen sie auch den Ländern zur Verfügung stellen. Der Deutsche Städtetag will „ebenfalls um Übermittlung der erhobenen Daten bitten.“