Um Bagatelleinsätze von Notärzten zu vermeiden, richtet das Land Standorte für Telenotärzte ein. Einer davon ist Ludwigsburg.

Ludwigsburg - Jahrelang wurden die Angebote der Telemedizin kaum wahrgenommen. Bis die Corona-Krise kam und mit ihr der Wunsch nach einer Arztsprechstunde ohne Ansteckungsgefahr. Seither ist der virtuelle Arzt auf dem Vormarsch. Jetzt will Baden-Württemberg noch einen Schritt weitergehen und auch Notärzte über digitale Medien zum Unfallopfer bringen. Für das Modellprojekt wurden neben der Stadt Freiburg auch der Klinikverbund Ludwigsburg ausgewählt. Das oberste Ziel sei zu verhindern, dass Notärzte weiterhin wegen Bagatellen ausrücken müssten und deshalb bei den wirklich dringenden Fällen fehlten, heißt es.

 

„Wir sind sehr stolz, dass wir als Telenotarztstandort ausgewählt worden sind“, sagt Alexander Tsongas, der Sprecher der Regionalen Kliniken-Holding (RKH) Ludwigsburg-Bietigheim. Das Gebiet, das damit versorgt werden solle, sei größer als der Landkreis Ludwigsburg: „Das umfasst auch Heilbronn und reicht bis Schwäbisch Hall.“

Hinweise für Sanitäter vor Ort

Wie aber soll der virtuelle Notarzt zum Einsatzort kommen? Sollen etwa weniger verletzte Unfallbeteiligte oder Passanten Informationen oder gar Bilder an die Notfallzentrale übermitteln? „Nein“, sagt Tsongas, „Unfallzeugen oder Polizeistreifen, die als Erste vor Ort sind, können das nicht.“ Sehr wohl aber der Rettungsdienst.

Sobald Sanitäter beim Notfallpatienten seien, sollen sie Informationen über Art und Schwere der Erkrankung oder Verletzung sowie erste Maßnahmen an einen Notarzt übermitteln können, der in der Integrierten Leitstelle sitzt. Möglicherweise kann der Arzt dem Team vor Ort gezielte Maßnahmen anraten. „Mit welcher Technologie wir arbeiten, können wir noch nicht sagen“, so Tsongas. „Die müssen wir erst aus dem vorhandenen Angebot auswählen.“

Zeitgewinn für Krankenhausärzte

Wichtig sei, dass dem Notarzt auch Bilder oder kurze Filme zugesandt werden könnten. Damit dieser sich ein möglichst exaktes Bild von der Notlage machen und dann entscheiden könne, ob es geboten sei, dass vielleicht doch noch ein Arzt an den Ort des Geschehens fahre, oder ob es ausreiche, ihn erst im Krankenhaus zurate zu ziehen. Auf diese Weise habe man auch einen zeitlichen Vorsprung, sagt Tsongas: Während der Rettungswagen einen Kranken zum Klinikum fährt, kann dort ein Ärzteteam alle nötigen Vorkehrungen treffen – dank der Informationen, über die es schon vorab verfügt.

Ein weiterer Schritt bei der Digitalisierung

Gegenwärtig seien die Notärzte überlastet. Nicht zuletzt, weil sie oft losgeschickt würden, wenn es sich nur um eher geringfügige Beschwerden handle. Ein digitaler Informationsaustausch könnte helfen, solche Fälle zu vermeiden oder wenigstens zu minimieren, was wirklich Hilfsbedürftigen zugutekäme.

„Mit der Wahl Ludwigsburgs zum Telenotarztstandort ernten wir die Früchte einer langen, konsequenten Weiterentwicklung in der Notfallversorgung und der Digitalisierung“, meint Jörg Martin, der Geschäftsführer der RKH Ludwigsburg. Die Kliniken hätten schon viel Erfahrung in der Telemedizin, außerdem sei das Traumazentrum Baden-Württemberg im Verbund angesiedelt.