Der IT-Spezialist Hans-Jürgen van Akkeren lässt mittelalterliche Städte im Computer wieder auferstehen und macht Denkmalpflege attraktiv. Dafür er erhält er nun den Archäologiepreis Baden-Württemberg.

Rust - Das Mittelalter lebt: Scharen von Geschichtsfans entwerfen am Computer Fachwerkstädte und trutzige Burgen. Die PC-Software „Blender“ macht’s möglich. Auch Hans-Jürgen van Akkeren arbeitet mit dem Grafikprogramm, auch er feilt mit seinem Hochleistungsrechner an Stadtmauern und Zinnen: „Ich habe mir eine Rennmaschine gebaut mit High-End-Grafikkarten und Wasserkühlung“, lacht der Mittfünfziger, der sein Geld hauptberuflich in der IT-Abteilung des Europaparks Rust verdient.

 

Doch Van Akkeren bastelt keine Traumwelten, er arbeitet vielmehr Hand in Hand mit dem Landesamt für Denkmalpflege. Seine Visualisierungen stehen auf solider wissenschaftliche Grundlage – und sind deshalb packender als viele Fantasiegebilde.

Wer wissen will, wie Freiburg um das Jahr 1200 oder 1350 aussah, sollte seine Internetseite www.breisgau-burgen.de besuchen.

Faszinierende Stadtansichten – jedes Detail stimmt

Auf der Basis von digitalen Geländemodellen, historischen Plänen und Erkenntnissen der Denkmalpflege entstanden mehrere 3-D-Rekonstruktionen der Breisgaumetropole – faszinierende Stadtansichten, bei denen jedes historisches Detail stimmt. Sie sind so überzeugend, dass das Freiburger Augustinermuseum sie in die Ausstellung „900 Jahre Leben in der Stadt“ integriert hat. Aber auch das historische Waldkirch, Kenzingen und andere Orte lässt Van Akkeren wieder auferstehen. Doch das ist nicht alles.

Der Badener dreht historische Videos und schreibt Handbücher, er hält Vorträge, fertigt Faksimiles und führt Exkursionen. Auch ein Internet-Forum für Ehrenamtliche entstand unter seiner Ägide. Weil er auf so vielen Feldern der Denkmalpflege unterwegs ist, wurde ihm jetzt der Archäologiepreis des Landes in der Kategorie Sonderpreis zuerkannt. Die Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium, Katrin Schütz (CDU), wird ihm die mit 5000 Euro dotierte und von der Wüstenrot-Stiftung gestiftete Auszeichnung am 7. Oktober in Stuttgart verleihen.

Ein neuer Typ des Freiwilligen

„Van Akkeren verkörpert einen neuen Typ des Ehrenamtlich Beauftragten“, sagt Bertram Jenisch, der Gebietsreferent für Archäologische Denkmalpflege in Freiburg. Neben den üblichen Fund- und Baustellenbeobachtungen bringe er seine technischen und künstlerische Begabungen zum Erhalt des archäologischen Erbes ein. Das ist insofern hervorzuheben, als die ehrenamtliche Beschäftigung im Dienst der Denkmalpflege meist fern jeder Öffentlichkeit stattfindet. Im zeitigen Frühjahr, wenn die Bauern ihre Furchen ziehen, sieht man sie manchmal gesenkten Hauptes über die Felder streifen – in der Hoffnung, Hinterlassenschaften vergangener Kulturen zu entdecken.

„Ihre Arbeit ist ein nicht wegzudenkendes, unersetzliches Standbein der staatlichen Denkmalpflege“, sagt Claus Wolf, der Chef des Landesamts, über die rund 200 Freiwilligen im Land. Auf Van Akkerens Plattform können sie sich nun digital vernetzen – und das spricht offenbar auch jüngere Menschen an.

Rekonstruktion als Annäherung

Auch Van Akkeren ist bisweilen noch auf die klassische Art unterwegs. „Aber das reicht mir nicht“, sagt er. Denn da gibt es eben noch seine künstlerische Ader, die Neigung, längst Vergangenes anschaulich zu machen. Aber ist das nicht gefährlich, wenn man mittelalterliche oder noch ältere Überreste mit dem heutigen Horizont interpretiert? Wabert da nicht der Zeitgeist mit? Archäologen sind da sehr vorsichtig und belassen es lieber bei Andeutungen, als ihrem Gefühl freien Lauf zu lassen. Das große Steintor der Heuneburg zum Beispiel, vor 2500 Jahren eine der größten keltischen Städte nördlich der Alpen (beim heutigen Sigmaringen), ist mangels genauer Kenntnisse nur in Umrissen rekonstruiert.

Auch für Laien ein Gewinn

Van Akkeren ist sich der Gefahr bewusst. „Aber gerade die Diskussion darüber bringen den Archäologen oft weiter“, glaubt er. Jenisch bestätigt das: Rekonstruktionsvorschläge seien auch eine Chance für die Forschung, weil so der Praxisbezug einer Theorie überprüft werden könne, sagt er: „Im Dialog zwischen Forscher und Grafiker werden häufig Lücken und Unstimmigkeiten in der Dokumentation erkannt und neue Fragen aufgeworfen, die insgesamt zu einem Erkenntniszuwachs führen.“ Und noch ein Argument ist nicht zu unterschätzen: Mit Rekonstruktionen erreicht man Interessenten, die auf die Homepages der Denkmalpflege eher nicht zugreifen. Es geht also auch um Vermittlung. Jenisch: „Ein Laie kann mit Plänen und Fundfotos nichts anfangen.“

Im Europapark geht manchmal aber auch mit Van Akkeren die historische Fantasie durch. So hat er für den Adventure-Club of Europe, einen fiktiven Abenteurerclub, eine Gründungsurkunde aus dem 18. Jahrhundert gefertigt – diesmal ganz ohne wissenschaftliche Fesseln.