Tenor Matthias Klink und Chorleiter Kai Müller gestalten mit Operettenklassikern ein Neujahrskonzert –und das aus einer Wohnung in Fellbach.

Fellbach - Die ganze Zeit sitzt der zähnebleckende Kater Tom Kai Müller im Nacken: Eine Szene aus der Filmserie Tom und Jerry schmückt das Plakat „Trau dich! Komm singen!“, das die Wand im Klavierzimmer des umtriebigen Chorleiters in Schmiden ziert. Später werden sich die Klebestreifen lösen, doch bevor das riesige Papier in einer fast surrealen Szene über Müller und sein Klavier klappen kann, springt Startenor Matthias Klink ein und klebt die überdimensionale Werbung wieder vor das Aktenregal, das damit wohl verdeckt werden soll.

 

Tja, es geht familiär und manchmal fast ein bisschen schräg zu beim Livestream des „Digitalen Neujahrskonzerts“ mit Kai Müller und Matthias Klink. Rund 200 Fans der Operettenmusik waren am Sonntagnachmittag über Zoom, Youtube, Facebook oder Instagram live dabei. Die Übertragungsqualität an den digitalen Endgeräten ist – logisch – nicht Eins a, und trotzdem sind alle Zuhörer am Ende begeistert und beflügelt. „Endlich etwas Abwechslung in dieser schwierigen Zeit“, schreibt eine Zuhörerin im Zoom-Chat.

Matthias Klink zieht extra eine Frackjacke an

Kai Müller – in Anzug und Krawatte am Flügel sitzend – stimmt „Ich bin ein armer Wandergesell“ an und sofort werden die Noten samt Text eingeblendet. Schließlich kann und soll mitgesungen werden. An der geöffneten Zimmertüre schleicht eben Matthias Klink vorbei und wagt einen Blick in den Raum. Kurz darauf kommt er – im Frackjäckchen – dazu. Gut, dass er sein Publikum höchstens über Zoom im Kleinformat sehen kann: Statt im edlen Zwirn wie beim Konzertbesuch üblich, fläzen sich die meisten an diesem Nachmittag im Freizeitlook auf dem Sofa. Ein Hoch auf die Gemütlichkeit!

„Ein Freund, ein guter Freund“ ertönt, und da singt man halt einfach mal mit. Es hört ja zum Glück zu Hause keiner. Spätestens bei den Operettenklassikern des Komponisten Paul Abraham ist man in Stimmung. Beim „schönsten aller Operetten-Walzer“, so sagt zumindest Kai Müller – „Lippen schweigen“ aus der Operette „Die lustige Witwe“ – fordert man den verdutzten Ehemann auf und schwenkt ihn einmal quer durchs Wohnzimmer. Und weil Müller einem ständig mit dem Sektglas vor der Nase herumfuchtelt, lässt man eben auch den Korken knallen.

Die beiden Musikerfreunde erzählen von der gemeinsamen Schulzeit

Der Ausgangssperre zum Trotz stimmen die Sänger „Es ist so schön am Abend bummeln zu gehn“ an, dann werden „Die Frau’n geküsst“. Und was ein „Diwanpüppchen“ sei, das solle man doch später mal nachschlagen, empfiehlt Kai Müller. Die beiden Musikerfreunde erzählen von der gemeinsamen Schulzeit in der Theater-AG und von einer Konzertreise kurz nach dem Mauerfall nach Sankt Petersburg. Matthias Klink erinnert sich an einen Auftritt im Corona-Sommer auf dem Neckar am Industriehafen, wo er in der „Blume von Hawaii“ sang und träumt von einer Wiederholung in diesem Sommer auf dem Eckensee an der Staatsoper.

Bei „Komm, Zigan“ wagt der Tenor selbst ein Tänzchen. „Machst du noch ein Vorspiel?“, fragt Matthias Klink zwischen zwei Strophen von „Ich küsse Ihre Hand, Madame“, aber das lässt Kai Müller weg: „Mach einfach weiter“, weist der Chorleiter den Freund an.

„Schmeißet se oben rechts am Computer ein Zweieurostück ein“, bittet Kai Müller dann gegen Ende des unkonventionellen Konzerts. Aber alle sind für einen Nuller dabei gewesen – auch der Startenor. Übrigens: Am Montagnachmittag hatte das Konzert in den sozialen Medien bereits fast 2500 Aufrufe.