17 Millionen registrierte Online-Kunden sollen über eine neue Bahn-ID weitere Angebote nutzen können. Neben der Lufthansa sind weitere bekannte Anbieter im Spiel.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Die Deutsche Bahn AG will mit einer neuen Digitalstrategie ihren Kunden schon bald alle Mobilitäts-Dienstleistungen aus einer Hand anbieten. Auch Angebote von Netzwerkpartnern wie der Lufthansa und Deutschen Telekom sollen eingebunden werden. Bis Juli 2019 sollen dazu rund 17 Millionen registrierte DB-Kunden einen neuen zentralen Onlinezugang über eine „Bahn ID“ bekommen.

 

Das bisher geheime Vorhaben ist wichtiger Teil der 200-seitigen „Agenda für eine bessere Bahn“, die DB-Chef Richard Lutz dem Aufsichtsrat des größten Staatskonzerns vorgelegt hat. Die Strategie-Unterlagen sind als „streng vertraulich“ gekennzeichnet und liegen unserer Redaktion in Auszügen exklusiv vor.

Mit der neuen Bahn-ID entwickle man „einen zentralen Zugang zu allen unseren Dienstleistungen, die wir später in das branchenübergreifende Verimi-Netzwerk einbinden“, heißt es in der Chef-Agenda zum Personenverkehr auf der Schiene. Verimi, dem Großkonzerne wie Daimler und Lufthansa angehören, ermöglicht es Nutzern, sich zentral für verschiedene Webseiten anzumelden. Mit der ebenfalls neuen Plattform Vendo will der Konzern „neue Potenziale im digitalen Vertrieb“ erschließen. Mit der ebenfalls neuen Plattform Vendo will der Konzern „neue Potenziale im digitalen Vertrieb“ erschließen. Mit Vendo werde die „veraltete Systemarchitektur“ des Konzerns durch eine modulare Plattformen abgelöst, betont die DB-Spitze. Das neue System sei fünf Mal leistungsfähiger. Damit könne man neue Angebote schneller und flexibler einführen und „ein neues Qualitätslevel im Kundenerlebnis“ erreichen. So sollen Bahnkunden auf dem Smartphone künftig schnellere Infos über Alternativen bei verpassten Zügen oder zu Wagenreihungen erhalten. Es soll Fahrzeitprognosen geben und die Schnellbuchung von DB- und Verbundtickets soll möglich werden. Auch der Service für Bahn-Bonus und den Komfort-Check-in werde optimiert.

Die Deutsche Bahn will ihre Strategie möglichst schnell umsetzen

Der Konzern wollte auf Anfrage die Informationen weder bestätigen noch dementieren. Ein Sprecher erklärte auf Anfrage, man werde die internen Unterlagen nicht kommentieren.

Die DB will die neue Vertriebsstrategie nach Informationen unserer Redaktion so schnell wie möglich umsetzen. Die Digitalisierung verändere die Mobilitätsbranche grundlegend, heißt es in der Agenda. Auch das eigene Geschäftsmodell müsse sich schneller anpassen als je zuvor in der 183-jährigen Geschichte der Bahn.

Der Staatskonzern ist mit seinen digitalen Angeboten bereits sehr erfolgreich. Der DB Navigator gehört mit fast neun Millionen Nutzern pro Monat zu den meistgenutzten Reise-Apps. Fast jeder Dritte kauft der Chef-Agenda zufolge mindestens einmal im Jahr ein Handy-Ticket. Allein im März 2018 waren es fast zwei Millionen Handy-Tickets, eine Steigerung um 63 Prozent zum Vorjahr und ein neuer Rekord.

Insgesamt werden laut den Unterlagen bereits mehr als 70 Prozent aller DB-Fernverkehrstickets online per Smartphone oder über das Portal bahn.de gebucht. Deshalb ist es – wie berichtet – auch Teil der Chef-Agenda, den eigenen Automatenverkauf von ICE-Tickets bis 2023 ganz aufzugeben. Im Regionalverkehr bleiben die Automaten.

Die digitale Offensive hatte bereits Ex-Bahnchef Rüdiger Grube mit zahlreichen Projekten gestartet. Die DB AG verfügt über einen der größten Datenschätze in Deutschland. Mehr als 140 Millionen Menschen nutzen jedes Jahr die Fernzüge, mehr als drei Milliarden den Regionalverkehr des Konzerns. Rund 17 Millionen DB-Kunden sind mit Konten digital registriert.

Viele Mobilitätsdienste sollen eingebunden werden

Alle diese Kunden sollen nun 2019 einen „schnellen, reibungslosen Zugriff auf alle Services“ des Konzerns mit einer „einheitlichen User-Experience“ erhalten, wie in der Agenda des DB-Vorstands betont wird. Über den zentralen Zugang per Bahn-ID sollen Kunden auf den DB Navigator und bahn.de, aber auch auf Bahn-Bonus, das Mobilnetz, den Streckenagenten sowie die DB-Vermieter Flinkster (Autos) und Call A Bike (Räder) zugreifen können. Auch neue DB-Mobilitätsangebote wie Ioki, Mobimeo und Clever Shuttle werden eingebunden. Zudem sollen Bahnkunden bis Dezember 2019 über die zentrale DB-Plattform und eine einheitliche Schnittstelle auch Zugriff auf „Mobilitäts-, Kommunikations- und weitere Dienstleistungen“ anderer Unternehmen bekommen. Bis dahin werde Bahn-ID voraussichtlich in das branchenübergreifende Netzwerk Verimi eingebunden, heißt es in der Agenda.

Als Beispiel von Partnern im Verimi-Netzwerk werden in den Unterlagen die Deutsche Lufthansa, die Allianz, die Deutsche Telekom und der Axel Springer Verlag („Bild“, „Welt“) genannt. Damit könnte in absehbarer Zeit auch die Buchung von Flugtickets über die neue Digitalplattform der DB AG vermittelt werden. Ziel sei, über die Partner und Gesellschafter von Verimi viele potenzielle Kunden zu erreichen.

„Durch den Netzwerkeffekt stärken wir Bahn-ID bei gleichzeitiger Sicherung der Datenhoheit“, wird in der Agenda ausdrücklich betont. Im Aufsichtsrat könnten diese Netzwerkpläne dennoch Bedenken auslösen. Denn der Umgang mit den Millionen Kunden- und Kontodaten gilt mehr denn je als hochsensibles Thema.

Kurz vor Weihnachten wurde bekannt, dass sich Kriminelle mit gehackten Mailkonten Zugang zu Bahn-Kundenkonten verschafften und Tickets im Wert von bis zu 11 000 Euro buchten, die dann trickreich über Stornierungen und digitale Gutscheine zu Geld gemacht wurden. Die Bundespolizei ermittelt. Laut DB wurden Kunden die Schäden erstattet und neue Sicherheitsmaßnahmen eingeführt. Der Betrug durch ergaunerte Gutscheine sei damit nicht mehr möglich.