Discounter und Ich-AGs machen dem Mittelstand des Friseurhandwerks zu schaffen. Zudem bilden sie keinen Nachwuchs aus und schaden dem Image. Nicht nur der Stuttgarter Friseur Alexander Ljaschko macht sich Sorgen um die Zukunft des Handwerks.

Stuttgart - Es ist das Los des Selbstständigen. Alexander Ljascko arbeitet am sogenannten Friseur-Sonntag. An diesem Montag schneidet er zwar nicht Haare, aber wer einen Laden in dieser Größe führt, schaltet fast nie ab. So sitzt er auch an seinem freien Tag in seinem Salon an der Paulinenbrücke und sinniert darüber, „was die Zukunft bringt“. Einer wie er macht das eigentlich immer. Der Wandel in seiner Branche zwingt ihn dazu, ständig hellwach zu bleiben. Denn in den vergangenen 15 Jahren stieg die Zahl der Friseursalons in Deutschland von 60 000 auf etwa 80 000. Bedeutet: Der große Kuchen, den das Statistische Bundesamt für die gesamte Branche bundesweit auf jährlich etwa sieben Milliarden Euro Umsatz beziffert, wird immer kleiner. Der Konkurrenzkampf in der Branche ist beinhart.

 

Alexander Ljascko fragt sich daher oft: Wo soll das hinführen? Die Antwort, die er sich selbst gibt, klingt nicht rosig: „Ich fürchte, dass sich das Billige durchsetzt. Das mittlere Segment wird weiter erodieren. Und die Zahl der Top-Friseure dürfte konstant bleiben oder sinken.“ Zur Oberklasse zählt auch Ljaschko. Erst zuletzt ist sein Laden von einer Fachjury zum besten in Deutschland gekürt worden. Aber was heißt das schon. Nichts ist vergänglicher als der Ruhm von gestern. „Und die Rahmenbedingungen werden immer schwieriger.“

Ich-AGs schießen aus dem Boden

Konkret geht es dabei um die kleinen Friseur-Ich-AGs, die wie Pilze aus dem Boden schießen. Sie, besser gesagt der fiskalische Umgang damit, sind der Branche ein Dorn im Auge. Worum geht es? Es geht um die sogenannte Kleinstunternehmerregelung, wonach Betriebe, die einen Umsatz unter 17 500 Euro pro Jahr erwirtschaften (1458 Euro/Monat) von den abzuführenden 19 Prozent Umsatzsteuer befreit sind. Auch Alexander Ljaschko findet das Ganze unseriös: „Bei fünf Öffnungstagen pro Woche wären das weniger als 70 Euro Einnahmen pro Tag. Das glaubt kein Mensch.“

Der Interessenverband „Der Faire Salon“ macht eine weitere Rechnung auf: Keine andere Betriebsgröße als die der Kleinstunternehmer habe sich in diesem Handwerk so stark positiv entwickelt. Die Zahl der steuerbefreiten Betriebe sei in der Zeit von 2000 bis 2017 von 13 300 auf 26 108 gestiegen. 54 340 Friseurunternehmen hätten Umsatzsteuer in die Steuerkasse gespült. Rund 26 000 weitere Betriebe hätten das nicht getan. Aus diesem Grund appelliert der „Faire Salon“ an die Politik, genauer hinzusehen. Konkret werden eine zeitliche Beschränkung der Kleinstunternehmerregelung auf drei Jahre und intensivere Kontrollen der Finanzbehörden gefordert.

Preisdumping auf Kosten der Sozialkassen

Entstanden ist diese Lage in der Zeit des Millenniums. Damals eroberten die Friseurdiscounter den Markt. „Teilweise mit menschenunwürdigen Bedingungen für die Angestellten“, sagt Ljaschko. Mit Löhnen, die viele Angestellte zum Aufstocken gezwungen hätten. Pointiert ausgedrückt: Über die Subvention aus den Sozialkassen können diese Discounter die günstigen Preise anbieten. „In Berlin gibt es Friseure, die für 4,95 Euro schneiden“, sagt Ljaschko, „ich frage mich, wie das geht.“ Viele Friseure haben in dieser Wachstumszeit der Discounter Kunden verloren und Personal entlassen.

Auch dem Fachverband Friseur und Kosmetik Baden-Württemberg ist diese Soloselbstständigkeit in Kleinstunternehmen ein Dorn im Auge. „Diese meines Erachtens künstlich erzeugte Konkurrenzsituation beeinträchtigt den klassischen mittelständischen Friseursalon in seiner wirtschaftlichen Geschäftstätigkeit. Es kann nicht angehen, dass mittelständische Friseursalons im Land mit durchschnittlich 3,5 Mitarbeitern immer mehr ins Abseits geraten“, sagt Landesgeschäftsführer Matthias Moser. Zum Jahresende 2017 waren 11 709 Friseurbetriebe in der Handwerksrolle eingetragen. Dabei rechne man mit knapp der Hälfte Soloselbstständigen.

So weit, so schlecht. Doch laut Moser stellt sich dadurch früher oder später auch die Zukunftsfrage des ganzen Handwerks: „Denn Soloselbstständige haben kein Interesse an der Nachwuchskräftesicherung, sie bilden keine Gesellen aus.“ Derzeit haben die baden-württembergischen Friseurbetriebe nur 3200 Azubis. „Es wird immer schwerer, Nachwuchs zu finden“, sagt Alexander Ljaschko, „denn unser Beruf hat durch die Gesamtsituation auch ein Imageproblem.“ Manche schämten sich im Freundeskreis, ihren Beruf preiszugeben. Alles stehe und falle daher mit dem Wort „Qualität“. Und die habe ihren Preis. Wer als Mann zu Alexander Ljaschko kommt, bezahlt 47 Euro für den Haarschnitt, der etwa knapp eine Stunde inklusive Beratung Zeit in Anspruch nimmt. Doch auf diesem Niveau könne er seine Mitarbeiter auch fair entlohnen. Konkret sieht das bei ihm so aus: Angestellte des Jahrgangs 1991 verdienen im Monat zwischen 2600 und 3200 Euro brutto, ein 54-Jähriger komme auf etwa 3000 Euro. Hinzu kommt das Trinkgeld, das monatlich zwischen 800 und 1000 Euro liegen könne.

Aus Sicht des Stuttgarter Friseurs liegt in dieser Rechnung die Lösung und die Zukunft des Friseurhandwerks. Nämlich in einem grundsätzlichen Bewusstseinswandel, der sich von der Geiz-ist-geil-Mentalität entferne: „Qualität und Dienstleistung sollte einfach wieder mehr wertgeschätzt werden.“