„Mensch, du kannst aber gut Deutsch“ – Rassismus zeigt sich bisweilen in verletzend netter Form. So eine Botschaft vom Ludwigsburger PH-Podium.

Jeder sprachgebeutelte schwäbische Student kennt sie, die betont verständnisvolle, herablassende Aufforderung eines sprachlichen Möchtegern-Hannoveraners: „Rede doch bitte etwas deutlicher.“ Schwingt da an Deutschlands Unis etwa subnationaler und selbstverständlicher Rassismus mit – eine Art sprachliche Diskriminierung innerdeutscher Art? „Nun ja“, wäre wohl die Antwort einiger derer gewesen, die sich am Dienstag in der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg zur Erörterung der Frage „Wie viel Rassismus steckt in uns?“ getroffen haben: Irgendwie vielleicht schon, aber nur mit Selbstbemitleidungspotenzial auf recht komfortabler Höhe. Ein herzliches „du bisch aber ao net von hier“ gilt schließlich andererseits zwischen Stuagert, Ulm und Durlesbach nicht als Beleidigung, sondern höchstens als urschwäbische Neugier.

 

Sprache spielt bei Diskriminierung eine herausragende Rolle

Wo hört echtes oder geheucheltes, aber im Wortsinne überhebliches „Verständnis“ für andere auf und wo beginnt – objektiv und emotional – Rassismus oder diskriminierende Herabsetzung. Das hat sich – nunmehr ernsthaft betrachtet – als eine nicht einmal im Einzelfällen immer beantwortbare Frage herausgestellt bei der Podiumsdiskussion des Forums Migration und des Integrationsrat der Stadt Ludwigsburg im voll besetzten Literaturcafé der Pädagogischen Hochschule. Und: Sprache spielt tatsächlich eine herausragende Rolle im Diskriminierungsalltag.

Ganz klar: Rassismus und diskriminierende Kommentare und Angriffe seien für sie von klein auf quasi selbstverständliche Teile ihres Alltags gewesen, sagen auf dem Podium Atraa Al-Hashimi und Teame Habtemariam, beides Studierende an der PH in Ludwigsburg. Verbunden mit dem Gefühl und der Überzeugung, eben ihres Andersseins wegen immer besser sein zu müssen, als alle anderen, um auch nur einigermaßen akzeptiert zu werden. Und immer konfrontiert mit der Erwartung der „Einen“,dass sie als offensichtlich „Andere“ eigentlich nicht richtig Deutsch sprechen können zu dürfen.

„Du verstehst mich eh nicht“

Das praktische Beispiel vom Atraa Al-Hashimi, das sie als Paradestück des automatisierten Rassismus sieht und als Beispiel dafür, wie tief der sitzt: Da sei irgendwann am Bahnhof die aufgeregte ältere Dame gewesen, die unbedingt ihren Bus erreichen wollte und Hilfe suchte. Die Dame wollte sie, Atraa, ganz offensichtlich ansprechen und um Auskunft bitten, aber als Atraa Al-Hashimi sich umdrehte, winkte sie sofort ab: „Du verstehst mich eh nicht.“ Sie habe den Wunsch verspürt, zu schreien: „Ich kann deutsch, ich habe studiert, ich kann helfen.“ Zugleich war ihr klar, dass sie hier – wegen ihres Aussehens – nicht ankommen würde.

Ein Beispiel von Teame Habtemariam zielt direkt in den Ausbildungsalltag an der PH. In einem Projekt sei er während des grade mit de Bachelor abgeschlossenen PH-Studiums bei einem Projekt mit 3. und 4. Klässlern dabei gewesen. Mit einer multisprachlichen Lernwerkstätte, bei der „das kleine blonde Mädchen regelrecht explodiert ist“ – schlicht, weil es die eigene Sprache verwenden konnte. Ernüchternd für ihn: Die Lehrer wussten nicht einmal, welche Sprachen die Kinder ihrer Klasse zu Hause sprechen.

Das Verbot der eigenen Sprache im Unterrichtung, den Zwang zum perfekten Deutsch – das sehen die angehenden Pädagogen als ein Grundproblem in Sachen Diskriminierung. Selbst die Sprachförderung in abgetrennten Gruppen könnte sich da, sagt Moderator Anselm Böhmer, als institutionalisierte Diskriminierung darstellen. Und die Einleitung dieses Artikel wäre so gesehen wohl doch eine verniedlichende „kulturelle Aneignung“ des Problems sprachlicher Diskriminierung durch Verbot eigener Worte.