Zwei Monate nach dem verheerenden Brand wird in der Pariser Kathedrale wieder eine Messe gefeiert. as Hauptinteresse gilt aber der Zukunft der Kathedrale, also ihrem Wiederaufbau.

Korrespondenten: Stefan Brändle (brä)

Paris - Erzbischof Michel Aupetit wird einen Bauhelm tragen, wenn er am Samstagabend in Notre-Dame die erste Messe seit dem Brand am 15. April halten wird. Nur ein Dutzend Gläubige können in der Kapelle am Ende des Kirchenschiffs dabei sein – ebenfalls mit Kopfschutz; alle übrigen müssen sich mit der Fernsehübertragung zufriedengeben. Der kleine Gebetsraum hat das Unglück zwar unbeschadet überstanden. Doch „das Dachgewölbe kann nach wie vor einstürzen“, warnt der designierte Architekt der Renovierung, Philippe Villeneuve.

 

Noch sind mehr als Hundert Arbeiter – und aus Sicherheitsgründen ein Roboter – damit beschäftigt, die verkohlten oder eingestürzten Dachteile aus dem Kirchenschiff zu entfernen. Die Brandermittler haben mehrere Hundert Proben in verschweißten Plastiksäcken abtransportiert und Tausende von Fotos erstellt. Laut Pressemeldungen scheinen sie aber keine wegweisenden Belege für die Brandursache gefunden zu haben. Trotzdem verstärkt sich eine Hypothese: Nachlässigkeit. Die Bauarbeiten, die im April im Einsatz waren, haben dem Vernehmen nach zugegeben, dass sie im Gebälk ab und zu geraucht hatten. Trotz strengstem Rauchverbots. Möglich scheint auch ein Kurzschluss: Elektrische Kabel des Baulifts sollen regelwidrig verlegt worden sein.

Denkmalschützer sprechen lieber von einer Renovierung

Das Hauptinteresse gilt aber der Zukunft der Kathedrale, also ihrem Wiederaufbau. Wobei umstritten ist, ob dieser Begriff zutrifft. Denkmalschützer sprechen lieber von einer Renovierung, die, was die historischen Monumente anbelangt, an bedeutend strengere Vorgaben gebunden ist als ein Wiederaufbau. Konservative Geister werfen Präsident Emmanuel Macron vor, er wolle der Kathedrale ein neues Antlitz verpassen und sich damit für die Nachwelt verewigen, wie es François Mitterrand mit der Glaspyramide im Louvre-Hof vorgemacht hatte.

Tatsächlich hatte Macron im April erklärt, er sei nicht gegen ein zeitgenössisches oder innovatives Vorhaben, das Notre-Dame „schöner denn je“ mache. Das konservative Magazin „Valeurs actuelles“ organisierte darauf ein Forum für eine identische Wiederherstellung der Kathedrale. Als der frühere Mitterrand-Berater Jacques Attali an dem Diskussionsabend vorschlug, ganz auf den eingestürzten Spitzturm – la flèche – zu verzichten, kanzelte ihn der Starautor Michel Houellebecq als „debil“ ab: „Die chinesischen Touristen kommen, um die völlig wiederaufgebaute Notre-Dame zu sehen!“

Der Rektor der Kathedrale will keine Experimente

Die erste Aufwallung der konservativen Gefühle hat sich gelegt, die große Mehrheit der Franzosen wünscht laut Umfragen aber eine originalgetreue Wiederherstellung, Turmspitze inbegriffen. Der Zuständige für das französische Kulturerbe, Stéphane Bern, erklärte, viele Bürger hätten nur deshalb Beiträge für die Renovierung gespendet, „weil sie Notre-Dame wieder so sehen wollen, wie sie einmal war“. Der Architekt Jean-Michel Wilmotte schlug vor, die Pfeilspitze aus Kohlenstoff neu zu errichten, um ein ökologisches Zeichen zu setzen. Der Rektor der Kathedrale, Patrick Chauvet, will aber keine Experimente: Er sei zwar nicht gegen eine kleine Note, welche die Erneuerung der Kathedrale symbolisiere, meint der Kirchenmann. „Aber aufgepasst, dass wir nicht einen auf dem Kopf stehenden Eiffelturm mit Blinklichtern bauen.“