Sonst rügt er andere, nun bekommt der Rechnungshof selbst die Leviten gelesen: Das Verkehrsressort moniert seinen großzügigen Umgang mit dem von der CDU ausgehandelten Verkehrsvertrag: Bei früherer Prüfung hätte das Land viel Geld gespart.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Über den Landesrechnungshof gibt es bei Grün-Rot immer wieder einmal Kopfschütteln. Es sei schon auffällig, heißt es regelmäßig, was die nach wie vor CDU-dominierte Kontrollbehörde prüfe und rüge – und was eben nicht. Auch bei dem einst von der CDU geschlossenen Großen Verkehrsvertrag zwischen Land und Bahn hätten die Prüfer zum Jagen getragen werden müssen – und sich schließlich auf einen Teilaspekt mit begrenzter finanzieller Auswirkung beschränkt.

 

Nun wird die meist nur hinter vorgehaltener Hand geäußerte Kritik erstmals offen an den „Hof“ herangetragen. Mit einem vierseitigen Schreiben, dessen Inhalt der StZ bekannt ist, wandte sich der Amtschef von Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne), Uwe Lahl, dieser Tage an den Präsidenten Max Munding (CDU). Offiziell ging es darum, den Chefprüfer über das Ergebnis der beiden Gutachten zum Verkehrsvertrag zu informieren; danach zahle das Land bis zu 1,25 Milliarden Euro zu viel. Zwischen den Zeilen aber macht Lahl keinen Hehl aus seiner Verwunderung, wie milde der Rechnungshof den alten, von der CDU verantworteten Vertrag beurteile – und wie streng die Bemühungen von Grün-Rot, nach dessen Auslaufen 2016 bessere Verträge abzuschließen.

„Kleinerer Mangel“ mit Milliardenfolge

Nach langem Zureden (Lahl: „Ich verweise auf die intensiven Telefonate . . .“) hatten sich die Prüfer nur den doppelten Ausgleich für Kostensteigerungen näher angeschaut. Dass das Land deshalb 140 Millionen Euro einbehält, so ihr Fazit, sei „gut begründet“. Doch ihre Einschätzung, der Vertrag sei lediglich mit „handwerklichen Mängeln“ behaftet, erscheint dem Amtschef arg verharmlosend: Was als „kleinerer Mangel“ dargestellt werde, habe eine „erhebliche finanzielle Dimension“ – nämlich, wie nun festgestellt, in Milliardenhöhe zu Lasten des Landes. „Sicherlich wäre es besser gewesen, wenn der Große Verkehrsvertrag sehr früh durch das Ministerium selbst oder den Rechnungshof einer eingehenden Prüfung unterzogen worden wäre“, merkt Lahl an. Nun, zum Ende der Laufzeit von 13 Jahren, seien die Handlungsmöglichkeiten leider erheblich eingeschränkt. Man prüfe gerade, ob sich Rückforderungen gerichtlich durchsetzen ließen.

Umso irritierter zeigt sich der Ministerialdirektor über die Kritik des Rechnungshofs an den Aufwendungen, um künftige Verträge zum Schienenpersonennahverkehr besser zu gestalten. Neuerdings moniere die Kontrollbehörde, dass sich das Ressort bei den Ausschreibungen von einer Anwaltskanzlei beraten lasse: der Düsseldorfer Sozietät Heuking Kühn Lüer Wojtek mit ihrer Spezialistin Ute Jasper (die StZ berichtete). Das aber sei dringend geboten: „Wenn Verwaltungen sich in ihrer Kompetenz überschätzen und milliardenschwere Verträge mit Bordmitteln formuliert und ausgehandelt werden“, komme es zu so schweren Nachteilen wie den jetzt aufgedeckten. Das wolle man beim nächsten Mal unbedingt vermeiden und habe sich daher „herausragende externe Spezialisten-Expertise“ gesichert. Bundesweit habe Heuking beste Referenzen – sowohl bei der Ausschreibung von neuen Verträgen als auch beim Vorgehen gegen bestehende.

Bis zu fünf Millionen Beratungskosten

Guter Rat aber, argumentiert Lahl, habe eben seinen Preis. Natürlich habe man darüber „intensive Verhandlungen“ geführt, wie in der Vergabeakte dokumentiert. Doch die kritisierten Stundensätze seien „für derartige Spezialfragen“ allemal üblich. Dass das Mandat für Heuking von der Fahrzeugfinanzierung auf die jetzt anstehenden Vergaben ausgeweitet worden sei, lasse sich ebenfalls gut begründen; Kontinuität in der juristischen Unterstützung sei angesichts der Milliardendimension viel wert.

Am Ende, so der Amtschef, könne der Rechtsrat vier bis fünf Millionen Euro kosten. Das möge der Rechnungshof aber bitte ins Verhältnis zu jenen 700 bis 1250 Millionen Euro setzen, die das Vorgehen der alten Regierung das Land gekostet habe. Bei einem Ausschreibungsvolumen von zehn Milliarden Euro gehe es gerade einmal um 0,05 Prozent – eine Größenordnung, die Lahl durch ein Beispiel aus dem Alltag veranschaulicht: Der Architekt eines Einfamilienhauses würde danach höchstens 150 Euro Honorar erhalten.