Nach der Kündigung der Räume in der Berliner Straße wird die Leonberger türkisch-islamische Gemeinde mit ihrer Moschee an den Rand der Altstadt umziehen.

Mehr als 20 Jahre hatte die Leonberger türkisch-islamische Gemeinde Ditib ihre Moschee, wo auch die Vereinsräume untergebracht sind, in der Berliner Straße 31. Dann musste der private Eigentümer diverse Brandschutzauflagen der Stadt erfüllen und sanierte das Gebäude. Im Zuge dieser Brandschutz-Maßnahmen war aber auch schnell klar, dass die Räume im Kellergeschoss mangels Fluchtwegen gar nicht für Versammlungen mit vielen Menschen geeignet sind.

 

Schwierige Suche nach neuer Heimat

Die Stadtverwaltung hat die weitere Nutzung zwar nicht untersagt, doch die Ditib bekam im Jahr 2020 die Kündigung von ihrem Vermieter und suchte seither nach passenden Räumen. „Wir haben verschiedene Objekte angeschaut, aber keins davon war geeignet“, sagt Mehmet Köksal, der Vorsitzende der Leonberger Ditib-Gemeinde.

Oder aber Bebauungspläne, wie beispielsweise im Hertich, lassen Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche oder sportliche Zwecke nicht zu. „Daran müssen wir uns natürlich halten, das ist Gesetz“, sagt der Ditib-Sekretär Nevzat Otlu.

Räume standen mehr als zehn Jahre leer

Der Eigentümer der Räume in der Berliner Straße zeigte sich kulant und setzte die Gemeinde nicht einfach vor die Tür, bevor sie nicht etwas Passendes gefunden hatte. Fündig wurde Ditib schließlich in der Grabenstraße 3. Wo früher ein Niedrigpreis-Textilhändler seinen Standort hatte, standen die Räume seit weit mehr als zehn Jahren leer.

Die türkisch-islamische Gemeinde hat die zweigeschossige Ladenfläche mit einer Gesamtfläche von 760 Quadratmetern für 415 000 Euro vom bisherigen privaten Eigentümer gekauft, will dort in naher Zukunft die Räumlichkeiten beziehen. Der Betrag für alle Kosten solle allein mit Hilfe von Spenden der Mitglieder zusammenkommen, sagen die beiden Vorstandsmitglieder. Die Baugenehmigung von der Stadt ist bereits da. „Wir sind seit 20 Monaten mit dem Bauamt im Gespräch, erfüllen die erforderlichen Brandschutzauflagen und haben eine Schall-Immissions-Prognose vorgelegt, uns ist eine nachbarschaftliche Rücksichtnahme sehr wichtig“, sagt Otlu.

Nur das Innere wird verändert

In Kürze soll mit dem Roten Punkt auch die Baufreigabe kommen. „Ich denke, dass wir Anfang Oktober mit dem Umbau starten können. Wir verändern nur das Innere, ein Minarett oder einen Gebetsruf nach außen wird es nicht geben“, meint Köksal. Das wäre baurechtlich ohnehin nicht zulässig. Die Mitglieder sollen die Parkmöglichkeiten in den städtischen Tiefgaragen nutzen. „Darauf werden wir sie aufmerksam machen.“

Den beiden Vorstandsmitgliedern ist Kommunikation nach außen sehr wichtig. Umso mehr, als nach Bekanntwerden der Umzugspläne bereits Beschimpfungen in den sozialen Netzwerken im Umlauf waren. „Wir sind ein gemeinnütziger Verein, sind politisch unabhängig und schon seit 33 Jahren in Leonberg, unsere Mitglieder kommen aus der gesamten Leonberger Region zu uns“, sagt Mehmet Köksal, der als Software-Entwickler arbeitet. Sein Vater kam in den 1970er-Jahren als Gastarbeiter nach Deutschland und baute sich hier eine Existenz für seine Familie auf. Die Frau folgte mit den Kindern einige Jahre später nach.

„Das wird alles aufgebauscht“

Die türkisch-islamische Union der Anstalt für Religion, kurz Ditib genannt, ist der größte Islamverband in Deutschland. Er untersteht der Leitung, Kontrolle sowie auch der Aufsicht der staatlichen türkischen Religionsbehörde Diyanet. Diese wiederum ist dem Präsidenten der Türkei direkt unterstellt. Deshalb wird Ditib oft als verlängerter Arm Erdogans ins Gespräch gebracht. Zumal das türkische Religionsministerium seine Imame, die türkische Staatsbeamte sind und von der Türkei bezahlt werden, in die deutschen Moscheen entsendet. Ditib ist umstritten, aber nicht verboten.

„Das wird alles in den Medien aufgebauscht“, sagt Nevzat Otlu, „wir wollen nur unsere Religion ausüben und tun auch was für die Gesellschaft.“ Jugendarbeit, soziale Aktivitäten, die Kinder kommen zur Nachhilfe in die Ditib-Räume, ab sofort gibt es auch wieder eine Folklore-Gruppe, die samstags in der Georgii-Halle Platz findet. Kritik gegenüber ihrer Gemeinde können sie nicht nachvollziehen.

Gebete fünfmal am Tag

Gebetet wird mit dem Imam fünfmal am Tag zu festgesetzten Zeiten. „Die Räume stehen offen, wer Zeit hat, kommt.“ Nur das Freitagsgebet um die frühe Mittagszeit sollten die Muslime unbedingt einhalten. „Das ist unser Hauptgebet, zu dem auch viele Mitglieder kommen“, sagt Otlu. Anfangs hatten die Leonberger Vereinsmitglieder selbst Bedenken, mit ihren Räumen mitten in die Stadt zu ziehen. In einen Gebäudekomplex mit 24 Wohneinheiten. „Mittlerweile finden wir das gut, weil es die Stadt belebt, doch wir haben das Gefühl, dass wir von vielen gar nicht erwünscht sind. Wir bekommen Anfragen wie etwa, ob wir Leichen in unseren Räume aufbahren. Wir sind doch kein Leichenhaus“, sagt Nevzat Otlu.

Der Verein ist um Offenheit bemüht, würde sich freuen, wenn Menschen mit ihren Bedenken persönlich auf den Vorstand zugehen würden. Eine Möglichkeit bietet sich beispielsweise beim Tag der offenen Tür in der Berliner Straße am 3. Oktober von 13 Uhr bis 16 Uhr.