Das Stuttgarter Oberlandesgericht bestätigt das Urteil aus der Schweiz.

Nachrichtenzentrale: Tim Höhn (tim)

Ditzingen - Reue hat er nie gezeigt, und in Interviews machte er sich sogar noch über Schweizer Autofahrer lustig – jetzt bekommt der Gotthard-Raser aus Ditzingen doch noch die Quittung für seine rücksichtslose Fahrweise. Der 43-Jährige, der mit seinen gefährlichen Tempoverstößen im kleinen Nachbarland große Empörung verursacht hat, muss für ein Jahr ins Gefängnis. Das Stuttgarter Oberlandesgericht hat jetzt entschieden, dass das entsprechende Urteil eines Gerichts im Schweizer Kanton Tessin zulässig ist und vollstreckt werden kann. Es ist das Finale eines juristischen Tauziehens, das sich mehr als 14 Monate hinzog.

 

Die Boulevardzeitungen in der Schweiz reagierten am Donnerstag mit Genugtuung auf den Beschluss aus Stuttgart. Absitzen wird der 43-Jährige seine Strafe in Deutschland, wehren kann er sich dagegen nicht. „Es gibt keine Rechtsmittel mehr“, erläutert Matthias Merz, der Sprecher des Oberlandesgerichts.

Spottname Gotthard-Raser

Zu seinem Spottnamen Gotthard-Raser war der Ditzinger gelangt, weil er mit viel zu hoher Geschwindigkeit durch mehrere Kantone der Schweiz und unter anderem durch den Gotthardtunnel gerast war. Durch die Röhre fuhr er mit durchschnittlich 135 Stundenkilometern, erlaubt sind 80. Auf der Autobahn war er mit seinem Sportwagen streckenweise mit 200 Stundenkilometern unterwegs, obwohl in der Schweiz ein Tempolimit von 120 gilt. Teils im Zickzack-Kurs überholte er dabei Autos und lieferte sich schließlich eine Verfolgungsjagd mit der Polizei – erst mittels einer Straßensperre konnte der Deutsche gestoppt werden.

Sein Auto wurde konfisziert, ein Gericht in Lugano verurteilte ihn 2017 zu 30 Monaten Gefängnis, von denen er zwölf verbüßen sollte. Die Begründung: Der Raser habe Menschenleben in Gefahr gebracht, seine Tat zeuge von „einer tiefen Verachtung gegenüber dem Leben anderer“.

Angeklagter: „Ich bereue gar nichts“

Doch der Angeklagte war zu diesem Zeitpunkt längst wieder in Deutschland. Zu den Verhandlungen tauchte er nicht auf, stattdessen gab er Interviews. Gegenüber der schweizerischen Zeitung „Blick“ soll er gesagt haben: „Ich bereue gar nichts. Ich kann super Auto fahren.“ Für Schweizer gelte das generell nicht: „Ihr könnt nicht Auto fahren.“ Und überhaupt: „Das Urteil interessiert mich nicht. Ich habe in der Schweiz schon alles gesehen, da brauche ich nicht mehr hinzufahren.“ Da der Verurteilte in Ditzingen wohnt, stellte das Schweizerische Bundesamt für Justiz bei den deutschen Behörden den Antrag, die Strafe zu vollstrecken, womit das juristische Hickhack begann.

Kompliziert war die Sachlage, weil Tempoüberschreitungen in der Schweiz und in Deutschland bis dato gänzlich unterschiedlich geahndet wurden. In Deutschland wäre der Mann vermutlich mit einem Fahrverbot und einem Bußgeld davon gekommen. Auch aus diesem Grund wies das Stuttgarter Landgericht das Ansinnen aus der Schweiz vor einigen Wochen zurück. Ein Tempoverstoß sei in Deutschland keine Straftat, für die man ins Gefängnis müsse, sondern eine Ordnungswidrigkeit.

„Unerträglich und in keiner Weise vertretbar“

Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft allerdings bewertet die Sachlage anders und legte Beschwerde ein – mit Erfolg. Das Oberlandesgericht (OLG) begründet seinen Beschluss damit, dass eine Freiheitsstrafe von zwölf Monaten im Hinblick auf das Verhalten des Verurteilten „möglicherweise als hart angesehen werden“ könne, aber nicht als „unerträglich und in keiner Weise vertretbar“. Darüber hinaus betont das OLG, dass Ende 2017 die Gesetze verschärft worden seien. Wer etwa mit viel zu hoher Geschwindigkeit auf öffentlichen Straßen ein Autorennen nachstellt, kann dafür jetzt auch in Deutschland strafrechtlich belangt werden. Strittig war noch, ob die deutschen Behörden das Urteil in der Schweiz überhaupt akzeptieren können, weil es in Abwesenheit des Angeklagten gefällt worden ist. Auch dazu hat das OLG eine klare Meinung: Der Angeklagte habe „Kenntnis von dem Verfahren gehabt“ und „unentschuldigt bei Gericht gefehlt“. Er sei in Lugano von einem Pflichtverteidiger vertreten worden, der auch einen Schlussvortrag für seinen Mandanten gehalten habe. Die Schweiz habe somit nicht gegen das „Recht auf ein faires Verfahren verstoßen“.

Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft, deren Einschätzung vom OLG nun in letzter Instanz bestätigt worden ist, will den Beschluss nicht kommentieren. „Das machen wir generell nicht“, sagt ein Sprecher. Man warte nun auf die Akten, dann werde der Betroffene zum Strafantritt geladen.