Thomas Müller plädiert dafür, die Bedeutung des Handels neu zu bewerten. Er soll jetzt in Ditzingen ein Citymanagement etablieren.

Beautysalon, Barbershop, Ärztehaus – sie gehören heute in jede Innenstadt. Davon jedenfalls ist Thomas Müller überzeugt. Wer gehe heute noch in die Stadt, um Schuhe oder Bekleidung zu kaufen, fragt er provokant. Das geschehe doch meist online. Einem Ladengeschäft, das heute keinen Online-Shop hat, gibt er deshalb auf lange Sicht wenig Überlebenschancen. Das bedeute keineswegs das Aus einer attraktiven Innenstadt, so Müller. Es bedeutet lediglich eine Verschiebung der Prioritäten: „Das Einkaufen wird nicht mehr das Wichtigste für die Innenstadt sein.“

 

Seit Anfang Januar hat Ditzingen erstmals ein eigenes Citymanagement. Bisher waren dafür die Ehrenamtlichen der Aktiven Wirtschaft Ditzingen (AWD) in Kooperation mit der Stadtverwaltung verantwortlich.

Professionelle Aufstellung

Schon lange hatte die Überlegung im Raum gestanden, das Citymanagement zu professionalisieren. Für die Ehrenamtlichen – selbst auch Geschäftsleute – war vor allem der zeitliche Aufwand immer mehr zum Problem geworden. Zugleich sah sich auch Ditzingen einer zunehmenden Konkurrenz mit anderen Kommunen ausgesetzt. Dabei beschränkt sich der Wettbewerb längst nicht mehr allein auf den Einkaufsstandort: Im Werben um Fachkräfte müsse die gesamte Kommune attraktiv sein, um als Wohn- und Arbeitsort für Neubürger interessant zu sein, legt Müller dar. Vor diesem Hintergrund ist es ihm wichtig, die Unternehmen ins Boot zu holen. Und warum nicht auch einen Handwerksbetrieb in der Innenstadt ansiedeln – um so das Handwerk sichtbar und dadurch interessant zu machen?

Thomas Müller wird bis Ende 2023 der Stadt als Dienstleister zur Verfügung stehen, will von Beginn an Theorie und Praxis verknüpfen. Die bloße Erarbeitung von Konzepten hält er nicht für zielführend. Als Citymanager versteht er sich indes nicht. Denn genau dieser Bereich solle ja mit seiner Unterstützung aufgebaut werden. Der 55-Jährige versteht auch jetzt schon die Tätigkeit als Teamarbeit. „Jemand wie ich macht aus Ditzingen keine lebendige Innenstadt. Das müssen wir alle miteinander machen.“ Das bedeutet auch, Fahrzeuge nicht aus der Ortsmitte bannen zu wollen. Anders als die Autofahrer freut er sich über jede Baustelle: Für Investoren sei das ein Signal, dass es sich lohne, sich dort zu engagieren. Dabei gehe es bei einer Belebung längst nicht mehr allein darum, den Handel attraktiver zu machen. Die Aufenthaltsqualität müsse gesteigert werden, etwa durch die Ansiedlung von Gastronomiebetrieben. Und warum sollten leer stehende Ladenflächen nicht für Start-ups oder temporäre Ladengeschäfte, sogenannte Pop-ups, zur Verfügung gestellt werden? Junge Menschen könnten etwa mit ihrem Kunsthandwerk eine Geschäftsidee ausprobieren. Und warum nicht Café und Ladengeschäft miteinander kombinieren?

Wohnen und Arbeiten in der City

Wohnen und Arbeiten müsse zurück in die City, denn das Einkaufen habe sich „dramatisch verändert in den vergangenen 40 Jahren“, sagt Müller. Das Argument, dass in dieser Situation die kleinen Städte einen schwereren Stand hätten als die großen, lässt er nicht gelten. Orte im Speckgürtel der Region schauten auf Stuttgart, der Einzelhandel auf die Einkaufscenter auf der grünen Wiese, der stationäre Handel auf die Online-Shops. „Jede Stadt findet Probleme um sich herum, die die Ursache dafür sind, dass niemand mehr einkauft.“ In der Region Stuttgart sei jede Kommune in dieser schwierigen Situation.

Zukunft haben die Innenstädte dennoch. Nur seien diejenigen, die die Menschen in die City lockten, heute nicht mehr Schuhladen und Bekleidungshaus, sondern Beautysalon, Ärztehaus, Friseur. „Nicht der Handel, sondern die Nutzung bringt die Frequenz.“

Thomas Müller arbeitet nach eigenem Bekunden seit mehr als 20 Jahren in der Wirtschaftsförderung und im Standortmarketing. Der 55-jährige Weinstädter hat Betriebswirtschaft studiert sowie einen Master im Urban Management, das sich mit Herausforderungen städtischer Ballungsräume befasst. Er berät Kommunen und Akteure aus Einzelhandel, Dienstleistung und Gastronomie, war für Esslingen am Neckar, Ebersbach an der Fils, Mühlacker und Weinstadt tätig, Derzeit ist er in Teilzeit als Co-Referatsleiter in Filderstadt tätig. In Ditzingen will er an zwei Tagen pro Woche präsent sein. Sein Büro ist in der Marktstraße 24.