Einst unschicklich, heute als nachhaltig gelobt: Selbst im Sternelokal kann man sich Nichtverzehrtes für zu Hause einpacken lassen. In eine Doggy Bag, wie das auf Neudeutsch heißt.

Stuttgart - Der Kampf mit dem Schnitzel auf dem Teller ging im Restaurant verloren. Was nun? Zurückgehen lassen? Obwohl der Rest daheim auch am nächsten Tag noch prima schmecken würde? Oder traut man sich und fragt: „Können Sie mir das einpacken?“ In den USA ist dies seit Jahrzehnten eine Selbstverständlichkeit, vielleicht auch, weil die oft üblichen Riesenportionen ohnehin keiner zwingt. Ohne dass man schief angesehen würde, wird die sogenannte Doggy Bag gepackt.

 

Nun gibt es im Deutschen zwar den Witz von der Frau, die sich Knochen für den Hund einpacken lässt – aber nicht zu fette, bitte, denn dem Ehemann sei es das letzte Mal schlecht geworden. Doch auch hierzulande muss immer seltener der Hund als Alibi herhalten. Es ist salonfähig geworden, die übrig gebliebenen Kässpätzle oder die halbe Pizza mitzunehmen. „Bei uns ist der Service gehalten, nachzuhaken, wenn größere Portionen auf dem Teller bleiben“, sagt Petra Reim, die das Il Pomodoro am Wilhelmsplatz und im Westen betreibt. „Wir bieten dann auch aktiv an, den Rest einzupacken.“ So würden Hemmschwellen abgebaut, denn manchen Gästen sei es noch immer unangenehm, selbst zu fragen. „Dabei empfinde ich es als Anerkennung, wenn das Essen mitgenommen wird“, so Reim. Lebensmittel wegzuwerfen sei hingegen jammerschade.

Auch ihrem Kollegen Yilmaz Yogurtcu tut es in der Seele weh, Essen zu verschwenden. „Die Gäste sind zum Glück selbstbewusster geworden und bitten ums Einpacken. Ich selbst übrigens auch, wenn ich beim Essengehen die Portion nicht schaffe“, sagt der Inhaber des Restaurants Metzgerei. Peinlich oder gar ein Zeichen für Geiz oder für wenig Geld sei das mitnichten: „Stattdessen zeigt dieses Verhalten eine Wertschätzung für Lebensmittel – und für den Koch, der in die Zubereitung viel Zeit und Energie gesteckt hat.“ Dass Gäste sogar übrigens Brot vom Frühstücksangebot mitnehmen, freut ihn – und er ist gewappnet: mit Papiertüten und Resteschalen.

18 Millionen Tonnen Lebensmittel landen im Müll

Gesetzlich sind Lokale in Deutschland nicht verpflichtet, Gästen die Essensreste zu verpacken. In vielen Betrieben gehört es inzwischen trotzdem zum Service, selbst in der Sternegastronomie. Die Nachfrage steigt, weil Gäste und Gastronomen weniger Lebensmittel verschwenden wollen. Laut einer Studie des World Wide Fund for Nature (WWF) landen in Deutschland jedes Jahr 18 Millionen Tonnen Lebensmittel auf dem Müll. Der Großteil davon wird in Privathaushalten weggeworfen, aber auch in der Gastronomie kommen 1,9 Millionen Tonnen zusammen. Umgerechnet sind das laut Umweltbundesamt jedes Jahr pro Kopf fast 24 Kilo Lebensmittel. Von wegen: Lieber den Magen verrenkt, als dem Wirt was g’schenkt, wie es im Schwäbischen heißt.

Wobei der Gastronom ohnehin nichts davon hat, wenn der Teller halb voll zurück in die Küche geht, Außer mehr Abfall und dadurch höhere Kosten. „Früher konnten die Reste an Schweine verfüttert werden“, sagt Christian Ottenbacher, Inhaber des Hotels Adler in Asperg. „Heute ist das verboten.“ Speiseabfälle müssen aus gesundheitlichen Gründen getrennt entsorgt werden. In Ottenbachers Betrieb, zu dem auch das Sternerestaurant Schwabenstube gehört, kommen so jede Woche sechs 120-Liter-Tonnen zusammen – mit Küchenabfällen, aber auch Speiseresten. „Als Schwabe begrüße ich es daher, wenn sich die Gäste Reste einpacken lassen“, sagt er augenzwinkernd. Um dann ernst hinzuzufügen: „Ich schätze es, wenn wir etwas gegen die Lebensmittelverschwendung tun.“

Auch Rostbraten und Steinbutt werden eingepackt

In der gehobenen Gastronomie sind die Portionen zwar kleiner gehalten – Qualität geht über Quantität. Doch wer nicht den ganzen Rostbraten oder den Steinbutt zwinge, bekomme sein Essen selbstverständlich eingepackt, sagt Ottenbacher.

Ähnlich halten es andere Sternelokale, etwa die Zirbelstube im Schlossgartenhotel, das Yosh auf dem Killesberg und das 5 in der Bolzstraße. Inhaber Michael Zeyer ist zwar „kein Fan der To-go-Gesellschaft“. Seiner Meinung nach „isst und trinkt man am besten dort, wo das Essen und die Getränke zubereitet wurden“. Denn mit all den Plastik- und Aluschalen sowie Pappbechern vergrößere man nur die Müllberge. „Wir setzen daher auf hundertprozentig recycelbare Boxen.“ Dass die Gäste nicht Verzehrtes mitnehmen, findet aber auch Zeyer „sehr vernünftig“. So packt sein Serviceteam im Gourmetbereich im ersten Stock etwa Pralinen und Petits Fours ein. Zum Abschied trägt man also ein kleines Päckchen mit nach Hause – und kann mit gutem Gewissen ein Betthupferl zu sich nehmen oder am nächsten Tag noch mal nachgenießen.