Mütter wollen oft alles perfekt machen: zuhause und im Beruf. Das macht auf Dauer krank. Dabei ist es gar nicht so schwer, eine Kur zu bekommen. Das Müttergenesungswerk sagt wie.

Stuttgart - Das verbesserte Kinderbetreuungsangebot und die veränderten gesellschaftlichen Strukturen haben in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass mehr als 80 Prozent der Mütter berufstätig sind. Diese Doppelbelastung aus Familie und Beruf hat Auswirkungen auf den Gesundheitszustand. „Er war bei Frauen mittleren Alters noch nie so auffallend schlecht wie heute“, sagt Anne Schilling, Geschäftsführerin des Müttergenesungswerkes.

 

So ist die Zahl der Mütter mit Erschöpfungssyndrom bis hin zum Burn-out in den vergangenen zehn Jahren um mehr als 30 Prozent gestiegen. Nach einer Bedarfsstudie des Bundesfamilienministeriums könnten 20 Prozent aller Mütter mit Kindern unter 18 Jahren – und davon gibt es etwa neun Millionen in Deutschland – sofort eine Kur beantragen. Tatsächlich aber nehmen nur etwa 50 000 Mütter jährlich an einer Maßnahme des Müttergenesungswerks teil.

Ein Grund dafür ist laut Anne Schilling, dass Mütter heute mehr denn je perfekt sein wollen. Sie setzten sich gegenseitig mit ihrem vermeintlich idealen Familien- und Berufsleben unter Druck setzen, statt zuzugeben, dass sie auch mal scheitern und Schwächen haben. „Dieser selbstinszenierte Perfektionismus ist sehr gefährlich, denn solange ich nicht zugebe, dass es Probleme gibt, kann ich mir auch keine Hilfe holen“, sagt die Psychologin Christine Altstötter-Gleich, die an der Universität Koblenz-Landau zum Thema Perfektionismus forscht.

Mütter kommen immer später in die Beratungsstellen

Die Folge: Erst wenn auch die letzte Kraftreserve aufgebraucht ist, suchen sich die Mütter Hilfe – etwa bei den Beratungsstellen des Müttergenesungswerkes. „Die Frauen kommen immer später zu uns und haben ausgeprägtere Gesundheitsstörungen als früher“, sagt Anne Schilling. Be- und Überlastung als Dauerfaktor können zu Schlafstörungen, Angstzuständen oder depressiven Verstimmungen führen. Körperlich macht sich die Überlastung oft durch Rückenschmerzen bemerkbar oder durch häufige Infekte.

Kommen die Frauen dann in die Klinik, seien sie meist der Meinung: Nur ich schaffe das nicht, nur ich versage. „Bei uns stellen sie dann überrascht fest, dass sie mit ihrer Situation alles andere als allein sind“, sagt Anne Schilling. In intensiven medizinisch-therapeutischen Maßnahmen lernen die Mütter, Zusammenhänge zwischen belastenden Lebensumständen und ihren Krankheiten zu erkennen – und erarbeiten Strategien für Veränderungen.

Die Frauen müssen lernen, nein zu sagen

Dabei geht es um an sich banal klingende Dinge. „Die Mütter lernen, nein zu sagen. Sie lernen zu erkennen, wann sie nicht mehr können, dass sie auch Zeit für sich brauchen und ihre Bedürfnisse genauso wichtig nehmen müssen wie die ihrer Familie“, sagt Anne Schilling. Das Müttergenesungswerk wurde im Jahr 1950 von Elly Heuss-Knapp gegründet, der Frau des ersten deutschen Bundespräsidenten Theodor Heuss.

Anfangs kamen viele Kriegswitwen zur Kur. Bis in die 70er Jahre gab es nur Mütterkuren. Seit 1983 werden auch Mutter-Kind-Maßnahmen angeboten, seit 2013 Kuren für Väter und pflegende Angehörige. Anträge auf eine Kur müssen von den Krankenkassen genehmigt werden. Sie tragen dann den Großteil der Finanzierung. Wer den gesetzlichen Eigenanteil für die Kur sowie für die Fahrtkosten nicht selbst zahlen kann, bekommt wenn möglich Unterstützung über das Müttergenesungswerk, welches sich vor allem über Spendengelder finanziert.