Eine deutsche Spaßmacherin will den Opfern des Tsunamis und des Reaktordesasters in Japan Freude bringen. Doris Dörrie erzählt, wie das Vorhaben scheitert – und was danach Interessantes passiert.

Stuttgart - Gibt es in den Trümmern einer Katastrophe etwas zu lachen? Es muss etwas zu lachen geben, was sonst sollte es für einen Sinn haben, dass man entronnen ist und weiterleben darf? Das oder Ähnliches mögen sich die Clowns denken, die nach dem Tsunami und der Atommeiler-Havarie ins japanische Fukushima reisen, um den Opfern etwas Freude zu bringen. Man sollte aber nicht erwarten, dieser Glaube werde von Doris Dörrie in ihrem einnehmenden Spielfilm „Grüße aus Fukushima“ bestätigt, illustriert und als hochherzige Gesinnung gelobt.

 

Der Clown Moshe (gespielt vom echten Clown Moshe Cohen), ein Vertreter der sozialen Intervention mit den Mitteln der Pappnase, Schminkfratze und lustigen Klamotten, mag vom Sinn und Nutzen seiner Späße überzeugt sein. Marie (Rosalie Thomass), die aus Deutschland anreist, um ihn zu unterstützen, hält die Animateursrolle unter Traumatisierten nicht lange durch.

Hula-Hoop-Spiele für Traumatisierte

Da steht sie nun in einem Lager für obdachlos Gewordene und Zwangsevakuierte, trägt Hula-Hoop-Reifen auf eine freie Fläche zwischen den Ruckzuck-Bauten und überlegt, wie viel sie den betagten Menschen zumuten kann, die sich da versammeln. Ein paar der Tsunami-Überlebenden lassen die Reifen hilflos und linkisch ihren Körper hinabeiern, und man sieht ihnen an, es ist die pure Höflichkeit gegenüber der von weither Angereisten.

Dass sie die anderen zwingt, ihr behilflich zu sein, statt ihnen Nutzen zu bringen, diese bittere Erkenntnis setzt bei Marie eine weitere Einsicht frei. Ihr bleibt kein Fetzchen Beschönigung übrig: Sie ist hier, weil sie zu Hause mit ihrem Leben nicht zurechtgekommen ist.

Eine Frau am falschen Ort

Ganz leicht könnte „Grüße aus Fukushima“ ein ungehöriger Film werden, einer, der die große, in ihren Langzeitfolgen noch gar nicht abschätzbare Katastrophe nur als Folie nimmt für eine individuelle Seelenweh-Geschichte. Beziehungsweise, noch schlimmer: dies könnte ein Film werden, der das objektive Unglück der Vielen und das subjektive Unglück der Einen gleichsetzt. Doris Dörrie weiß das genau und lässt es keinen Moment zu.

Sie geht die Geschichte einer Frau am falschen Ort, der sich dann doch als der richtige entpuppt, anders an. Dörrie stellt unaufdringlich eine Laborsituation her, in der die relativ behütete Frau aus Deutschland von einer älteren Japanerin lernt, wie man mit einer Katastrophe auch umgehen kann. Was nicht heißen soll, dass Marie gar nichts zurückzugeben hätte.

Von der Geisha lernen

Satomi (Kaori Momoi), eine gelernte Geisha, bricht aus dem sicheren Leben des Lagers aus. Sie geht zurück in ihr altes Haus, das von der Flut halb zerfetzt wurde und nun in der Strahlungszone liegt. Marie will sie zunächst zurückholen, aber das Kräfteverhältnis ist ein anderes. Das anfangs gebeugte Weiblein, das immer energischer wird, bringt Marie dazu, ihr beim aberwitzigen Projekt der Bewohnbarmachung des Unbewohnbaren zu helfen.

Auf Gespenster hören

Doris Dörrie hat sich für Schwarz-Weiß-Bilder entschieden, sie bringt eine unheimliche Grauzone der Verwüstung, Selbstbestrafung und Läuterung auf die Leinwand. Satomi ist nicht die weise alte Lenkerin, die stets aus ungebrochenen Leitlinien einer anderen Kultur heraus agieren kann. Auch sie ist geplagt und zerrissen, und dass ein Gespenst auftaucht, muss man nicht nur als Bildsymbol nehmen.

Seit sie sich von ihren frühen Komödien wie „Männer“ fortentwickelt hat, nutzt Dörrie immer mal wieder Andeutungen des Übersinnlichen, um das normale Leben auszuhebeln. Man kann sich den Gespenstern nicht entziehen, aber man kann auf sie hören.

Der Zauber greift

Wie da Weiblichkeitskonzepte einander lindernd durchdringen, Ost und West kooperieren, die Besessenheit vom Vergangenen dem Glauben an die Zukunft weicht, das geht manchmal ein wenig sehr glatt über die Bühne. Aber Dörrie mag ihre schwierigen Figuren nicht nur, sie kann sie einem näher bringen. Will heißen: der Kinozauber greift, dass man ihnen das unwahrscheinlich Gute gönnt.

Grüße aus Fukushima. Deutschland 2016. Regie: Doris Dörrie. Mit Rosalie Thomass, Kaori Momoi. 108 Minuten. Ab 12 Jahren.