Mysteriöse Geschichten gibt es auf der ganzen Welt. Einige gruselige und zum Teil wahre Geschichten aus dem Rems-Murr-Kreis stellen wir in loser Folge vor: Jakob von Gültlingen ersticht anno 1600 seinen Vetter und wird in Waiblingen hingerichtet.

Remshalden - O läg’ ich doch an deiner Stelle in meinem Blut, mein teuerster Freund“ – so klagt Jakob von Gültlingen im 1960 in Geradstetten uraufgeführten Schauspiel gleichen Namens nach dem verhängnisvollen Degenstich. In der Annahme, es mit einem bedrohlichen Gespenst zu tun zu haben, hat der Schorndorfer Obervogt in der Nacht zum 10. Oktober 1600 im Haus des Geradstettener Schultheißen seinen Vetter und Freund Conrad von Degenfeld erstochen. Schon fünf Tage später stirbt er selbst durch das Schwert eines Scharfrichters – ohne Gerichtsverfahren, nur auf Befehl des Herzogs Friedrich I. und vor allem wohl auf Betreiben von dessen später selbst wegen Unterschlagungen hingerichtetem Kanzler Matthäus Enslin.

 

Das Drama beginnt mit einem feucht-fröhlichen Abend

Das Ganze beginnt am 9. Oktober des ersten Jahres im 17. Jahrhundert eigentlich recht harmonisch. Samt Gattin ist Jakob von Gültlingen beim Geadstettener Schultheißen zum Festessen eingeladen. Auf dem Rückweg von einer Hochzeit in Waiblingen stößt abends Jakob von Degenfeld mit seiner Frau zu der Gesellschaft im Schultheißenhaus und man bechert, mit Geradstettener Rotwein, kräftig bis weit in die Nacht hinein. Ein Umstand, der – wie ihm eigentlich bekannt – bei Gültlingen zu üblen Folgen führen kann. Eine alte Kopfverletzung führt dazu, dass er nach Alkoholgenuss bisweilen Tobsuchtsanfälle erleidet. Just aus dem Grund schläft er dann in der Schicksalsnacht in einer eigenen, von außen fest verriegelten Kammer.

Die Vorsichtsmaßnahmen haben am Ende nichts genützt. Denn der schlafwandelnde Conrad von Degenfeld hat offenbar im somnambulen Zustand die Tür zu Gültlingens Kammer entriegelt. Der aus dem Schlaf erwachte und wie die meisten seiner Zweitgenossen ziemlich abergläubige von Gültlingen fühlte sich von dem vermeintlichen und „abscheulich und forchtsam“ aussehenden Gespenst bedroht, schnappte seinen Degen und streckte die Spukgestalt nieder. „Wehrt sich um Leib und Leben“ heißt es im Lied „Die Nachtwandler“ in der Sammlung „Des Knaben Wunderhorn“: Und weiter: „Vermeint es wär ein Teufelspuk, thät ihm viel Stiche geben.“

Der Vogt, der tags zuvor in Geradsteten selbst noch über andere zu Gericht gesessen hatte, wurde festgesetzt und nach Waiblingen in den Turm gebracht. Verhöre oder gar eine Gerichtsverhandlung gab es im Fall des versehentlich erstochenen Saufkumpans nicht. Ein Grund dafür könnte gewesen sein, dass Conrad von Degenfelds Vater Christoph als Landhofmeister seinen Einfluss auf Herzog und Kanzler geltend gemacht hat.

Der Todeskandidat sorgt sich um das Wohl der Gattin

„Man richt mich ohne Urtheil und Recht“ schreibt jedenfalls Jakob von Gültlingen in seinem in Stuttgarter Akten erhaltenen Abschiedsbrief kurz bevor er am 15. Oktober 1600 frühmorgens zum Richtblock auf dem Waiblinger Marktplatz geführt wurd. Zugleich mahnt er aber auch seine Gattin, sie möge doch vorsichtshalber seine Schilderung nur Freunden zukommen lassen, damit die selbst entscheiden könnten, ob die Hinrichtung ohne Verhandlung zu rechtfertigen sei.

„Rede du nicht zu vihl, muest es sonszt in Deufringen entgelten“, warnt er die im Deufringer Schloss bei Böblingen wohnende Gattin. Er selbst stirbt durch das Schwert des vom Herzog für diese Hinrichtung eigens nach Waiblingen geschickten Scharfrichters. Heute gilt diese Hinrichtung des Mannes, der seinen Freund wohl tatsächlich nur versehentlich tötete, weil er ihn für ein Gespenst hielt, als Justizmord. In Deufringen, dort wo einst das Schloss derer von Gültlingen stand, steht in der Dorfkirche noch heute das Grabmal des Jakob von Gültlingen.