Die Sparda-Bank West führt die in der Finanzbranche als „Verwahrentgelt“ bezeichneten Minuszinsen ein. Greifen sollen sie schon oberhalb eines Freibetrags von 25 000 Euro auf dem Girokonto – auch für Bestandskunden. Letztere erhalten eine kurze Schonfrist.

Korrespondenten: Barbara Schäder (bsa)

Frankfurt - Hunderte Banken haben in den vergangenen Jahren Negativzinsen für Unternehmen sowie Privatkunden mit hohem Guthaben eingeführt. Die Sparda-Bank West, ein genossenschaftliches Institut mit rund 680 000 Kunden in Nordrhein-Westfalen, wagt sich nun allerdings besonders weit vor: Via Pressemitteilung kündigte sie am 31. März an, ab 1. April ein „Verwahrentgelt“ für Girokonten schon oberhalb eines Freibetrags von 25 000 Euro einzuführen. Auf dem Tagesgeldkonto wird bei Guthaben über 50 000 Euro ein Negativzins von 0,5 Prozent fällig. Beides gilt auch für Bestandskunden – dieses Vorgehen ist zumindest für eine Bank dieser Größenordnung ungewöhnlich drastisch.

 

Zwar gibt es laut einer Übersicht beim Vergleichsportal biallo.de mittlerweile rund 80 Sparkassen und Genossenschaftsbanken, die Negativzinsen schon auf Guthaben von 25 000 Euro oder sogar noch weniger berechnen. Auch wenn dies in der Liste nicht immer explizit erläutert ist, gelten diese Bedingungen aber in den meisten Fällen nur für Konten, die nach einem bestimmten Stichtag eröffnet wurden. Das ergibt sich aus Preisaushängen oder auch Pressemitteilungen der Institute. Nur wenige machen bei der Berechnung von Negativzinsen oder Verwahrentgelten keinen Unterschied zwischen Alt- und Neukunden.

Dass die meisten Kreditinstitute auf eine Stichtagsregelung setzen, hat Gründe: In älteren Kontoverträgen sind Negativzinsen nämlich nicht vorgesehen. Die Sparda-Bank West schickt deshalb jetzt denjenigen Bestandskunden, deren Guthaben über den Freibeträgen von 25 000 Euro auf dem Girokonto und 50 000 Euro auf dem Tagesgeldkonto liegen, eine Vertragsänderung zu, wie eine Sprecherin erläuterte. Für ihre Rückmeldung hätten sie bis zum 30. April Zeit. Die Negativzinsen greifen dann erst nach Einwilligung der Sparer, sofern diese ihr Geld nicht anderweitig anlegen. Nach Angaben der Sprecherin sind rund zehn Prozent der 682 000 Kunden von der Neuregelung betroffen.

Die meisten Institute gehen mit ihrer bestehenden Kundschaft schonender um

Zwar bleiben auch bei vielen anderen Instituten Altkunden nicht gänzlich von Minuszinsen verschont. In der Regel gelten für diese Gruppe jedoch weit großzügigere Regelungen als für Neukunden, weil die Banken ihre bisherige Kundschaft nicht verprellen wollen und nur mit Inhabern außergewöhnlich hoher Guthaben über Vertragsänderungen sprechen.

So verfuhr auch die BW Bank, die im Februar Negativzinsen oberhalb einer Freigrenze von 100 000 Euro für Giro- und Tagesgeldkonto zusammen einführte. Während diese für Neukunden immer gilt, werden Bestandskunden nur belangt, wenn sie insgesamt über eine Million Euro auf dem Giro- und Tagesgeldkonto verwahren. Die wenigen Kunden, die dies betrifft, werden von der Bank individuell kontaktiert – wenn sie eine Umschichtung ihrer Gelder in andere Anlageformen ablehnen, drohen Negativzinsen allerdings auch ihnen ab dem 100 001. Euro.

Die doppelte Bepreisung von Girokonten ist besonders strittig

Speziell bei Girokonten ist rechtlich umstritten, ob Negativzinsen zusätzlich zur Kontoführungsgebühr überhaupt zulässig sind. Das Landgericht Tübingen hatte dies 2018 in einem Urteil über einen letztlich nie angewandten Preisaushang der Volksbank Reutlingen verneint. In diesem Fall waren Negativzinsen allerdings schon ab dem 1. Euro vorgesehen, ohne Freibetrag.

Sollten andere Institute dem Beispiel der Sparda-Bank West folgen und Minuszinsen auch von Bestandskunden mit Guthaben deutlich unter 100 000 Euro verlangen, so würde dies weitaus mehr Sparer treffen als bislang. Mit der Berechnung von Negativzinsen geben Banken und Sparkassen einen Teil der Kosten weiter, die ihnen selbst für das Parken von Geld bei der Europäischen Zentralbank (EZB) entstehen.

In der Corona-Krise sind die Einlagen auf Giro- und Tagesgeldkonten weiter gestiegen, weil viele Verbraucher wegen der Einschränkung von Reisen, Freizeitaktivitäten und Einkaufsmöglichkeiten ihre Ausgaben zurückfuhren. Da das Geld auf Giro- und Tagesgeldkonten theoretisch jederzeit abgezogen werden kann, müssen die Banken steigende Summen bei der EZB vorhalten. Die Notenbank führte für diese Einlagen bereits 2014 Strafzinsen ein.