Im Rahmen des diesjährigen Semper Opernballs in Dresden wird der ägyptische Diktator Abdel Fatah al-Sisi mit dem Orden des heiligen Georg, „Ad Flumine“, ausgezeichnet. Er würdigt Personen, die sich gegen den Mainstream stellen. Wer denkt sich so etwas aus?

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

Dresden - Was das Überflüssige in der Welt anlangt, gehen die Meinungen nach Klasse und Status der Urteilenden naturgemäß auseinander, aber dass die gesamtgesellschaftliche Integrationskraft von Opernbällen in einer Demokratie eher gering ausfällt, dürfte Konsens sein. Beim Wiener Opernball liefert das Ereignis den Beweis seiner überkandidelten Dekadenz gleich mit, wenn sich alljährlich, boulevardmedienhaft immer wieder gern inszeniert, die Blicke auf einen Mann namens Richard Lugner richten. Er hat im Baugeschäft sein Geld verdient, was ihm den Spitznamen „Mörtel“ einbrachte – und stets einen Hang zum Theatralischen gehabt. Schlawiner, allemal.

 

Adabei Lugner

Lugner verkörpert den sogenannten Adabei, eine bizarre Figur, die auch vom Dramatiker Johann Nestroy stammen könnte: Er kauft sich und seine von ihm anlassgemäß angeheuerte weibliche Begleitung irgendwo aus dem weltweiten Showgeschäft in eine der teuersten Logen ein: Edelprostitution, die sich der Rest der High Society als Chuzpe gefallen lässt. Seit dem Jahr 2006 versucht der Dresdner Opernball, eine Initiative des Kulturmanagers Hans-Joachim Frey, eine sächsische Kopie zu klonen, inklusive Debütantinnen und Debütanten, jedoch ohne Lugner. Dafür wird beim Semper-Opernball geheißenen Event als Orden ein Bildnis des heiligen Georg (Stammsitz: Grünes Gewölbe) verliehen, eine Weiß-und-Gelbgold-Replik mit Rubin und Brillanten, für alle, die sich gegen Drachen wehren oder „adverso flumine“ unterwegs sind – gegen den Strom.

Auch Beckenbauer geehrt

Den ersten Georg erhielt Armin Müller-Stahl, interessanterweise der Onkel des Initiators Frey. Hernach wurden so zweifelhafte Gestalten wie Franz Beckenbauer, Wladimir Putin und Martin Winterkorn geehrt. In diesem Jahr geht eine Auszeichnung an den ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi, einen brutalen Militärherrscher; in Ägypten gibt es allein 60 000 politische Gefangene. Er gilt den Dresdner Opernballmachern als „Hoffnungsträger und Mutmacher“ – ein Zynismus, der dazu führen müsste, dass man solchen Organisatoren den Veranstaltungsort sperrt: Zeiten, zu denen Diktatoren in der Semperoper gehuldigt wurde, sollten vorbei sein!