Der Transport von Corona-Patienten stellte die Luftretter der DRF in Filderstadt vor neue Herausforderungen. Im vergangenen Jahr gab es besonders viele Einsätze.

Filderstadt - Steigende Infektionszahlen, knapper werdende Intensivbetten: In den Hochphasen der Pandemie waren und sind viele Kliniken am Limit. Ein Ausweg: das Kleeblatt-System, also die Verlegung von Patienten aus den Corona-Hotspots in weniger stark betroffene Regionen. Jörg Braun, Fachbereichsleiter Medizin bei der DRF Luftrettung (ehemals Deutsche Rettungsflugwacht) mit Sitz in Filderstadt, kennt das Konzept aus besonderer Warte.

 

2021 waren die Hubschrauber der Organisation 881-mal im Einsatz, um jene Interhospital-Transporte vorzunehmen und so die intensivmedizinische Versorgung aufrecht zu erhalten. Teilweise ging es mit dem Rettungshelikopter quer durch die Republik.

Gedanken machen zum Hygienekonzept

„Inklusive Transport von der Klinik zum Hubschrauber und vom Hubschrauber ins Hospital kommen bei Strecken wie Stuttgart – Rostock schnell zwei, drei Stunden zusammen“, verdeutlicht Braun den Aufwand. Entsprechend musste man sich bei der DRF Luftrettung Gedanken um ein Hygienekonzept machen, das Mitarbeiter und Patienten schützt. „Zum Glück haben wir ein eigenes Hygienemanagement, das sich um die Regeln für Transporte und ähnliches kümmert“, erklärt der Facharzt für Anästhesiologie. „Schon als die ersten Covid-19-Fälle in China auftraten, haben wir uns zusammengesetzt und überlegt, welche Maßnahmen wir treffen müssen. Wir konnten daher relativ schnell reagieren.“

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Überrascht wurde man von der Unterbrechung der Lieferketten, die zur Verknappung bei der Schutzausrüstung führte. Zwar habe niemand ungeschützt in den Einsatz geschickt werden müssen, betont Jörg Braun, die Bestände seien aber bedenklich geschrumpft. Letztlich wurde der Mangel durch Bestände aus dem Katastrophenschutzvorhalt des Landes übergangsweise abgefedert.

Infektionsschutz im Cockpit

Besonders heikel gestaltete sich die Frage nach dem Infektionsschutz im Cockpit. „Wir mussten uns mit dem Luftfahrtbundesamt abstimmen, was das Tragen eines Mund-Nasenschutzes beim Fliegen angeht“, berichtet Braun. „Eine FFP2-Maske kann eine Sichtfeldbeeinträchtigung mit sich bringen. Je nachdem, wie gut sie sitzt, beschlägt die Brille oder die Funkkommunikation wird beeinträchtigt. Das mussten wir alles ausschließen.“ Die Lösung: mehrere Modelle für möglichst gute Gesichtsanpassung für jeden Piloten.

Und dann wäre da noch das EpiShuttle, ein mobiles Patienten-Isolationssystem und eine Art Transportbox, die die Umgebung vor Kontamination schützt. „Wir hatten schon früh eine Marktsichtung im Hinblick auf solche Isolationstragen gemacht“, sagt Braun. „Sie kommen ja auch in anderen Zusammenhängen zum Einsatz. Bei Gefahrentransporten etwa. Nehmen wir einen Fall wie Alexej Nawalny: Wenn ich jemanden transportiere und nicht weiß, welche Giftstoffe im Spiel sind, ist das EpiShuttle ideal. Auch bei Corona-Transporten hat es sich bewährt.“ Durchschnittlich stehen auf den Fildern zwanzig geschulte Personen für Shuttle-Transporte bereit. Freilich hat das Utensil seinen Preis: rund 40 000 Euro. „Wir konnten die Anschaffung über Spenden an den Förderverein DRF e.V. finanzieren“, sagt Braun. Die Spendenbereitschaft in der Bevölkerung war überwältigend.

Mehr Einsätze der DRF

Jörg Braun betrachtet die Anschaffung der EpiShuttles und andere Maßnahmen nicht nur im Zuge der aktuellen Situation: „Egal, wie viele Mutationen uns dieses Virus noch bescheren wird: Es wird wohl in der Welt bleiben, und es ist klar, dass wir künftig wieder mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert werden können, wenn auch vielleicht nicht im selben Ausmaß.“ Es kann nicht schaden, vorbereitet zu sein. Dass die Krankenhäuser inzwischen besser präpariert seien, zeige die insgesamt weniger angespannte Lage auf den Intensivstationen: „Ich habe den Eindruck, dass derzeit keine so einschneidenden Maßnahmen ergriffen werden müssen, wie zu Beginn der Pandemie“, sagt der Fachmann.

Dass die Zahl der DRF-Einsätze 2021 insgesamt im Vergleich zum Vorjahr dennoch um vier Prozent gestiegen ist, liegt laut dem medizinischen Leiter der Luftretter jedenfalls nicht an einer Verschlechterung der Umstände. „Wie nähern uns quasi wieder dem Vor-Corona-Niveau an“, erklärt er die Zahlen. Zu Beginn der Pandemie sei etwa die Zahl der Unfälle mit Kraftfahrzeugen spürbar zurückgegangen. Es habe daher weniger Transportnotwendigkeiten durch die DRF-Luftrettung gegeben. Dennoch sei die Belastung für die Mitarbeitenden hoch gewesen – vor allem durch Corona: „Bei Notfalleinsätzen aller Art müssen wir immer davon ausgehen, dass der Patient auch Virusträger ist“, resümiert Jörg Braun. „Alle Einsätze müssen unter Vollschutz stattfinden, und obwohl alles gut eingespielt ist, hoffen wir natürlich, dass diese Pandemie bald vorbei sein wird.“