Mit seiner Entscheidung zum dritten Geschlecht hat das Bundesverfassungsgericht einem kleinen Teil der Bevölkerung eine große Hilfestellung gegeben – ohne dass die Masse der Menschen Nachteile befürchten muss, kommentiert Politik-Redakteur Christian Gottschalk.

Politik/ Baden-Württemberg: Christian Gottschalk (cgo)

Karlsruhe - Es gibt Probleme, die sind nur sehr schwer nachvollziehbar, wenn man nicht selbst damit konfrontiert ist, nicht einmal selbst damit konfrontiert werden kann. Das mit der Intersexualität gehört dazu. Die mit riesigem Abstand überwiegende Mehrzahl der Menschen kommt als Mann oder als Frau auf die Welt. Ein vergleichsweiser kleiner Teil fühlt sich unwohl in diesem Körper, und wechselt das Geschlecht, das sind die Transsexuellen. Ein noch kleinerer Teil steckt in einem Körper, der widersprüchliche Aussagen dazu macht, ob er männlich oder weiblich ist. All denen hat das Bundesverfassungsgericht auf ihrem nicht immer einfachen Lebensweg nun ein Stück weit Hilfestellung gegeben, und das ist gut so.

 

Zahlreiche unterschiedliche Ausprägungen

Mediziner gehen von 60 verschiedenen Formen der Intersexualität aus, Schätzungen zu Folge sind es zwischen 80 000 und 160 000 Menschen, die in Deutschland von einem Phänomen betroffen sind, das schon Platon beschrieben hat. Zu Beginn habe es drei Geschlechter gegeben, doch dann sei die Mannfrau von den Göttern getrennt worden, schrieb der griechische Philosoph. Nun wird das dritte Geschlecht wieder in den Standesämtern Einzug halten. Das Verfassungsgericht hat damit eine Entscheidung getroffen, die wenigen nützt, und die niemandem schadet.

Keine Auswüchse zu befürchten

Denn eines hat das Bundesverfassungsgericht nicht gemacht. Es hat nicht entschieden, dass mit sofortiger Wirkung neben den Toiletten für Männlein und Weiblein eine dritte Tür für das dritte Geschlecht angebracht werden muss, auf Flughäfen, in den Betrieben und Schulen. Es hat nicht entschieden, dass neben Saunatagen für Männer und Frauen auch ein Tag für das dritte Geschlecht frei gehalten werden muss, und auch nicht, dass mit sofortiger Wirkung die deutsche Formularwüste umgestaltet werden muss. Der Gesetzgeber muss lediglich das Personenstandsgesetz dahin gehend ändern, dass sich die Angehörigen des dritten Geschlechts mit der Gleichen Selbstverständlichkeit zu ihrem Geschlecht bekennen können wie es bisher Männer und Frauen konnten. Der Gesetzgeber kann das mit der nötigen Sorgfalt machen und so Auswüchse, wie sie an manchem Stammtisch befürchtet werden, vermeiden.