Anwohner und Mitarbeiter der Asylunterkunft an der Katharinenstraße klagen über die Drogenszene und ihre Hinterlassenschaften. Helfer setzen sich für eine Fixerstube in Stuttgart ein.

S-Mitte - Ihr Mann sei vor Kurzem beinahe in eine Blutlache getreten, erzählt Nadine Gombold. Spritzen, Blut, leere Tablettenschachteln – Gombold fällt nur ein Begriff ein für den Zustand des Weges, den Kinder nehmen, um zur Jakobschule zu gelangen: „Der Drogendreck auf der Wächterstaffel ist einfach nur noch eklig und eine Zumutung für die Schulkinder“, sagt sie.

 

Gombold ist Mitglied des Elternbeirats der Grundschule. Die Schule stand jahrelang in den Schlagzeilen, weil Eltern gegen den Drogenmüll auf dem Schulgelände kämpften. Oberbürgermeister Fritz Kuhn reagierte im vergangenen Jahr mit einem Fünf-Punkte-Plan. Die Caritas organisierte Reinigungsteams, um Fixerutensilien zu beseitigen. Dass sich auf den Staffeln dennoch Hinterlassenschaften des Konsums finden, kann Nadine Gombold mit Fotos belegen.

Mann spritzt Frau Drogen

Michaela Weißhappel, ehrenamtliche Helferin in der Asylunterkunft an der Katharinenstraße, und Michael Owczarczak, Mitarbeiter der Evangelischen Gesellschaft (Eva), klagen ebenfalls über den Drogenkonsum im Quartier. Weißhappel und eine Freundin begleiteten jüngst Kinder aus dem Flüchtlingsheim auf den gegenüberliegenden Spielplatz. „Ein Mann hat vor unseren Augen einer Frau eine Spritze gesetzt“, erzählt die Ehrenamtliche. Irgendetwas ging dabei wohl schief. „Da lief eine Menge Blut den Arm runter“, meint sie. Der Vorfall mit der blutenden Fixerin ist nicht das erste Mal, dass ihr und den Kindern Süchtige auffallen. „Wir erklären den Kindern dann, dass die Menschen eine Krankheit haben“, erzählt sie.

Owczarczak von der Eva fordert mehr Schutz für die Kinder aus dem Heim. „Der Spielplatz ist für unsere Kinder so wichtig, weil sie in der Unterkunft nur begrenzt Platz zum Spielen haben. Aber es muss dort sicher zugehen“, sagt er. Owczarczak erinnert an die Verletzungs- und Gesundheitsrisiken durch liegengebliebene Spritzen. Aber er meint auch etwas anderes: „Wo sich Konsumenten aufhalten, sind die Händler nicht fern. Das ist bei illegalen Drogen auch nicht anders als in der Kneipe“, meint er.

Kontaktcafé klärt auf

Reiner Lang, Teamleiter des Kontaktcafés für Drogenabhängige High Noon an der Lazarettstraße, kann die Bedenken des Eva-Mitarbeiters nachvollziehen. Er stellt klar, dass das High Noon Süchtige darauf hinweist, wie verantwortungslos Konsum an Spielplätzen gegenüber Kindern sei. Doch es gebe ja auch Abhängige, die das High Noon nicht aufsuchen, um sich dort beim Spritzentausch beraten zu lassen, meint er. Aus seiner Sicht würden Süchtige Spielplätze für ihren Konsum auswählen, weil sie dort schnell erkennen könnten, wenn Polizisten sich nähern. „Ich glaube die meisten, würden sich lieber ungestört einen Schuss setzen. Aber die Angst, überrascht zu werden, ist groß“, meint Lang.

Er und andere Helfer setzen sich deshalb für die im Volksmund Fixerstuben genannte Konsumräume ein. Der erste Raum, in dem Konsumenten sich unter Aufsicht Betäubungsmittel spritzen konnten, entstand 1994 in Hamburg. So wollte der Stadtstaat Konsumenten retten, die sich eine Überdosis verabreicht hatten und einen hygienischeren und damit risikoärmeren Konsum ermöglichen. Die rot-grüne Bundesregierung änderte im Jahr 2000 das Gesetz, um Konsumräume bundesweit zu ermöglichen. Die Bundesländer konnten dank des neuen Rahmengesetzes Rechtsverordnungen erlassen, um Fixerstuben einzurichten. In Baden-Württemberg wird dies derzeit geprüft. Gerade Karlsruhe drängt auf eine solche Lösung, da es in der Stadt Probleme mit der Drogenszene gibt. Die Stadt Stuttgart stimmt sich laut Auskunft einer Sprecherin noch ab, wie sie sich zu Fixerstuben positioniert.

Die Elternbeirätin Nadine Gombold hält die Einrichtung eines Konsumraums für überfällig. „Davon profitieren Konsumenten und die Öffentlichkeit gleichermaßen. Und es wäre kontrollierbar“, sagt sie.

Konsumräume sind legal