Wegen eines geplanten Hochregallagers erhält der Öhringer Oberbürgermeister Thilo Michler Morddrohungen. Die Projektgegner distanzieren sich ausdrücklich davon.

Öhringen - „Warum fühlst Du Dich so stark, deine Tage können bald gezählt sein, pass auf einige trachten nach Dir.“ Das sind im Wortlaut Drohungen aus einem Brief, der am 15. Juni im Büro des Oberbürgermeisters Thilo Michler (parteilos) in Öhringen (Hohenlohekreis) eingegangen ist. „Sei Wachsam die Uhr tickt, oder ist Dein Leben in Gefahr“, heißt es weiter. Die Forderung lautet: Der OB solle in der „Sache Schäfer und Peter (...) zurückrudern“. Gezeichnet ist das Schreiben mit „Hochachtungsvoll – Eine Vereinigung aus Kassastan und weiteren Zugezogenen...“.

 

Die „Sache Schäfer und Peter“ ist ein geplantes, bis zu 30 Meter hohes Hochregallager, mit dem sich das Unternehmen dieses Namens am westlichen Stadtrand erweitern will. Anwohner befürchten, die Frischluftzufuhr würde reduziert und wehren sich daher vehement gegen das Projekt, das der Gemeinderat im vergangenen Dezember bei zwei Gegenstimmen und fünf Enthaltungen genehmigt hat.

Die Polizei fährt verstärkt Streife

Die Öhringer Polizei ermittelt, bestätigt der Revierleiter Günther Stecher: „Wir nehmen jede Bedrohung ernst.“ Man habe „taktische Maßnahmen im Hintergrund“ ergriffen und fahre verstärkt Streife vor Michlers Haus. Polizeischutz sei derzeit aber kein Thema. Ob die Signatur „Kassastan“ auf Kasachstan verweist? Hier handele es sich möglicherweise um ein „Ablenkungsmanöver“, sagt Stecher, das Vokabular und die Rechtschreibfehler seien nicht eindeutig. Spätaussiedler stellen eine große Gruppe in der 24 000-Einwohner-Stadt: Im Wohngebiet Zwetschgenwäldle leben fast 3000 Menschen vor allem aus der einstigen Sowjetunion.

„Ich bin natürlich erschrocken“, kommentiert Thilo Michler den Brief. Das Bauvorhaben lasse die Wogen in der Stadt derzeit freilich hochschlagen: „Da sind viele Emotionen im Spiel.“ Die Gegner, die sich von den Drohungen ausdrücklich distanzieren, argumentieren, die Klimagutachten seien von der Stadt falsch bewertet und dem Gemeinderat wichtige Ergebnisse vorenthalten worden. Michler betont dagegen, an der „sachlichen Aufarbeitung des Bauvorhabens und der eingegangenen Anregungen“ interessiert zu sein. Am 4. Juli findet daher eine Sondersitzung des Gemeinderats statt, die von der Polizei begleitet werde: „Ich werde betonen, dass das nicht der Einschüchterung dient“, versichert der Oberbürgermeister.

Michler wird auch vorgeworfen, gegen die Pressefreiheit verstoßen zu haben

Der Satz verdeutlicht, mit welch harten Bandagen in Öhringen derzeit gekämpft wird. Denn Michler sieht sich zudem mit dem Vorwurf konfrontiert, gegen die Pressefreiheit verstoßen zu haben. Wegen eines Berichts des Projektgegner-Vereins Prima-Klima-West gegen das Hochregallager in der Mai-Ausgabe des kostenlosen Stadtmagazins „Der Öhringer“ hat er untersagt, dass das Blatt in städtischen Gebäuden ausgelegt wird. Der Herausgeber des Magazins reichte daher Dienstaufsichtsbeschwerde beim Regierungspräsidium Stuttgart ein. Der OB rechtfertigt sich damit, der Bericht habe vor allem die Stadträte verunglimpft und „Unwahrheiten“ enthalten. „Da war die Grenze für mich erreicht.“ Sein Anwalt rechne damit, dass die Beschwerde im Sand verlaufe, sagt Michler und beteuert: „Ich will doch nur weiter eine sehr gute Arbeit für Öhringen machen.“