Zur zehnten Staffel des Dschungelcamps hat sich RTL ein neues Format ausgedacht: Bei „Ich bin ein Star – lasst mich wieder rein“ müssen ehemalige Kandidaten jetzt den Alltagstest im Großstadtdschungel bestehen.

Stuttgart - Er hätte allen Grund gehabt, nein zu sagen. Sein erster Ausflug ins RTL-Dschungelcamp hat ihm ja nicht das Comeback im Fernsehen, von dem er noch immer träumt. Dafür aber einen Shitstorm bei Twitter und sogar Morddrohungen. Man kann sagen: Walter Freiwald hat sich keinen Gefallen damit getan, dass er sich für RTL zum Affen gemacht hat.

 

Und dennoch hat der arbeitslose TV-Moderator keine Sekunde gezögert, als ihn RTL jetzt gefragt hat, ob er nicht Lust hätte, ein zweites Mal mitzumachen, diesmal allerdings nicht im australischen Outback, sondern im Kölner Großstadtdschungel. Für den Sommer hat sich der Privatsender nämlich zur Feier der zehnten Staffel von Deutschlands beliebtester Trash-Show eine Light -Variante ausgedacht. Titel: „Ich bin ein Star – lasst mich wieder rein“

Worum es geht, daraus macht RTL noch ein Geheimnis. Auch Walter Freiwald, 61, sagt, er habe noch keine Ahnung, was auf ihn zukomme. Man wolle die Kandidaten auf ihre Alltagstauglichkeit testen, heißt es in der Pressestelle des Privatsenders. Sie also zum Beispiel in einem Fahrstuhl steckenlassen und ihre Reaktion filmen. Ihnen Quizfragen stellen, solche Sachen eben. Es klingt nach einer Mischung aus „Upps! Die Pannenshow“ und „Wer wird Millionär?“, bloß eben ohne Millionen.

Mit Blick auf die Kosten

Überhaupt scheint der Sender darauf geachtet zu haben, dass sich die Produktionskosten diesmal im Rahmen halten. Zu frisch ist noch die Erinnerung an den letzten Flop: „Wild Girls – Auf High Heels durch Afrika.“ Das war 2013. Damals mussten zwölf als Glamour-Girls titulierte C-Prominente aberwitzige Challenges in der namibischen Wüste bestehen. Ziegen einfangen oder bei fünfzig Grad in der Sonne die zerlaufene Kriegsbemalung renovieren, solche Sachen eben.

Im Sommerloch, so hatte man wohl gedacht, hat der Intellekt sowieso hitzefrei. Da denkt der Zuschauer nicht über Sinn und Unsinn solcher Aufgaben wie einem Lauftraining in Stöckelschuhen in der Wüste nach. Was für ein Irrtum! Die Quoten waren so mau, dass das Prime-Time-Format auf einen früheren Sendeplatz umziehen musste.

Ob RTL mit dem Dschungelcamp light mehr Erfolg hat oder ob die Marke nur herhalten muss, um den branchenüblichen Auflauf von C-Promis zu vermarkten? Ein Blick auf die Teilnehmerliste dämpft die Erwartungen. In jeder Folge treten drei Kandidaten gegeneinander an. Es sind allesamt bekannte Gesichter, die schon den richtigen RTL-Dschungel überlebt haben.

Minimum an Einsatz

Die Liste liest sich wie das Who‘s Who der Rubrik „Was wurde eigentlich aus?“, von Nadja abd el Farraq bis Sarah „Dingens“ Knappik, von Dustin Semmelrogge bis Willi Herren. Immerhin startet mit der dänischen Schauspielerin Brigitte Nielsen auch eine ehemalige Dschungelkönigin, die es schon mal bis nach Hollywood geschafft hatte. Allen gemeinsam ist, dass sie genau wissen, wie man mit einem Minimum an Einsatz ein Maximum an Aufmerksamkeit erreicht. Und genau das könnte für RTL zum Bumerang werden. Schließlich braucht so eine Show eine gewisse Fallhöhe. Das Publikum möchte die Kandidaten straucheln sehen. Doch diese Gefahr sinkt, je besser sie das Format kennen.

Pro Folge wählen die Zuschauer einen Kandidaten fürs Finale am 8. August. Der Hauptgewinn dürfte für die meisten ein Anreiz sein, sich diesmal mehr reinzuhängen. Schließlich kassiert der Sieger ein Ticket nach Australien für die nächste Dschungelcamp-Staffel im Januar 2016. Wiedersehen macht Freude – oder auch nicht. Fragt man Micky Beisenherz, auf welchen Teilnehmer er sich besonders freut, muss er lange überlegen. Denn keiner kennt die Macken und Marotten der „Premium-Borderliner“ (Beisenherz) so gut wie er.

Zusammen mit Jens-Oliver Haas schreibt er die Moderationstexte. Seine Spitzen machen diesen Niveau-Limbo überhaupt erst erträglich. Beisenherz sagt, sein Favorit sei Peter Bond, „der George Lazenby der deutschen Fernsehunterhaltung.“ Inzwischen 62 Jahre alt und frisch schönheitsoperiert. Bye-bye, Schlupflider.

Hohe Gagen für die Darsteller

Ausgerechnet „00 Bond“. Fans der Show werden sich noch erinnern: Der ehemalige Glücksrad-Moderator glänzte in der vierten Staffel durch die vollständige Abwesenheit von Motivation. Doch eine gewisse Lernfähigkeit sollte man auch ihm nicht absprechen. Vielleicht bewirkt die Aussicht auf einen zweiten Anlauf ein wahres Wunder. Immerhin kassieren die Darsteller Gagen in fünf- und sechsstelliger Höhe.

Und vielleicht ist das auch die Antwort auf die Frage, warum es Walter Freiwald kaum abwarten kann, auf den Schirm zurückzukehren. Seine Frau Annette, sagt der arbeitslose Moderator, sei nämlich not amused darüber gewesen, wie ihn RTL im letzten Dschungelcamp dargestellt habe: launisch und divenhaft, wehleidig und größenwahnsinnig. Freiwald, das war der, der öffentlich mit dem Gedanken kokettiert hatte, Bundespräsident zu werden oder gleich Moderator bei „Wetten, dass . . ?“ Als eine Mischung aus „Norman Bates und Chucky, die Mörderpuppe“, so hatte ihn der berüchtigte TV-Kritiker Oliver Kalkofe etikettiert.

Walter Freiwald ficht die Kritik nicht an. Und die Morddrohungen? Ach, sagt er, die seien wohl aus dem Umfeld der Anhänger von Aurelio Savina gekommen. Späte Nachwirkungen jenes Kleinkrieges, den er sich mit dem italienischen Adonis geliefert hatte. Die Polizei nahm die Drohungen ernst. Nach seiner Rückkehr aus Australien musste Freiwald den Frankfurter Flughafen durch den Hinterausgang verlassen. Zwei Wochen bekam er Polizeischutz. Vorbei, sagt er. Wo er auftauche, begegne man ihm mit Sympathie - überwiegend, jedenfalls. Dass einen nicht alle mögen könnten, das liege in der Natur des Formats. Jeder spiele eine Rolle. „Und ich habe doch gut in dieser Sendung funktioniert. Ich war auf dem besten Weg, sie zu gewinnen.“

Ein gewisses Gefälle

Warum die Anrufe für ihn plötzlich abrissen, kann er sich nicht erklären. Eine gute Voraussetzung, um es diesmal wenigstens unter die ersten Fünf zu schaffen. Denn ein gewisses Gefälle zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung kann auf dem Weg zur Krone nicht nur nicht schaden. Es ist sogar unabdingbar.