Deutschland sucht den Superstar – mittendrin ein Paradiesvogel mit Herz, aber ohne Gesangstalent. Die Art, wie er inszeniert wird, erinnert erschreckend an einen Kandidaten der ersten Staffel der Fernsehshow.

Rems-Murr: Phillip Weingand (wei)

Waiblingen - Deutschland sucht den Superstar. Mal wieder. Und diesmal ist unter den Kandidaten jemand, der Waiblingen deutschlandweit berühmt macht: Shada Ali, 24 Jahre alt, ist entschlossen, Superstar zu werden. Dabei gibt es nur ein Problem: Singen kann Shada Ali nicht. Und zwar überhaupt nicht. Manche anderen Kandidaten aus der Vergangenheit, die mehr Töne getroffen haben als er, mussten sich aus dem Munde des Oberjurors Dieter Bohlen obszönste Schmähkritiken anhören, doch der Waiblinger kommt Runde um Runde weiter. „Du bist ganz besonders, du setzt einen Kontrapunkt zu den anderen, in der Kombi finde ich es einfach geil“, meinte der Pop-Titan in einer der Sendungen zu Ali. Die überdrehten Auftritte Alis treiben ihm Lachtränen in die Augen.

 

DSDS: Noch ein weiterer Kandidat aus der Region Stuttgart

Dieter Bohlen hat jüngst seinen Abschied vom TV-Sender RTL verkündet. Ob er angesichts des nahenden Abschieds sein Herz entdeckt hat und sich bei seinen Entscheidungen von der Sympathie für den Paradiesvogel aus dem Südwesten leiten lässt? Möglich. Doch hinter dem Weiterkommen des skurrilen Waiblingers könnte auch Kalkül stecken. Denn nach 18 Staffeln hatte die mediale Aufmerksamkeit für die Fernsehshow – und ihre Gewinner – merklich nachgelassen. Während in der ersten Staffel der Sendung im Jahr 2002 (ein Klon des US-Formats „American Idol“) durchschnittlich neuneinhalb Millionen Menschen zusahen, schalten jetzt nur noch 3,6 Millionen ein. So wenig wie nie zuvor.

Neben Shada Ali ist derzeit noch ein weiterer junger Mann aus der Region Stuttgart unter den DSDS-Kandidaten: Starian Dwayne McCoy, 19 Jahre alt und aus Uhingen (Kreis Göppingen), hat einigen Schmelz in der Stimme. Er brach seine Schornsteinfeger-Lehre ab, um sich auf die Musik konzentrieren zu können. Vivien Schwestka aus Rastatt und Nahigan Karram aus Ulm sind dagegen bereits in der Folge 14 ausgeschieden.

Shada Ali spaltet die Zuschauer von Deutschland sucht den Superstar

Shada Ali dagegen ist noch dabei und spaltet die Fernsehnation. Man spricht über ihn, die Lokal- und die Boulevardpresse berichten über seinen Werdegang, rätseln über seinen Erfolg und spekulieren sogar, Ali sei ein Schauspieler, der schiefen Gesang und übertriebene Posen nur vortäusche. Zuschauer der Sendung zürnen in den sozialen Netzwerken, Shada würde talentierteren Kandidaten den Platz wegnehmen. Auch bei denen ist der im Irak geborene Waiblinger nicht gerade beliebt. Kaum einer will mit Shada Ali in einer Gruppe auftreten. Und als die Macher der Sendung sie darüber abstimmen lassen, welchen Kandidaten sie denn aus der Sendung werfen würden, wählen die meisten den Waiblinger. Nur haben die Kandidaten bei DSDS nichts zu sagen. Ali kam weiter, Bohlen sei Dank.

Bei aller Ablehnung, die ihm entgegenschlägt, hat der 24-Jährige auch seine Fans. Denn so klein sein Gesangstalent sein mag, so groß ist manchmal sein Herz. „Superstar heißt auch Vorbild zu sein, und kein Pornodarsteller“, zürnte er neulich, als ihm ein gemeinsamer Auftritt mit anderen Kandidaten als zu anstößig inszeniert erschien. „Und dann bin ich der Böse, obwohl ich’s nur gut meine für die Welt.“ Für solche Äußerungen und für seine ungefilterte emotionale Art mögen ihn seine Anhänger. „Lass dich nicht unterkriegen und bleib’ du selbst“, schreibt eine Followerin auf Instagram. „Du bist schon jetzt berühmter als mancher DSDS-Gewinner“ eine andere. Und hat damit vielleicht gar nicht so Unrecht – womit das Kalkül ja aufgegangen wäre.

Auch Daniel Küblböck polarisierte damals das Publikum

Die Art, wie Shada Ali als polarisierende Figur gezeigt und gefördert wird, erinnert allerdings frappierend an die erste Staffel von Deutschland sucht den Superstar. Damals war es der androgyn wirkende 17-jährige Daniel Küblböck, den die Zuschauer entweder hassten oder liebten und der Runde um Runde weiterkam, bis in die vorletzte Sendung. Er produzierte sogar eine Hitsingle, „Positive Energie“. Es folgten die Veröffentlichung einer Autobiografie, eine Rolle in einem Molkerei-Werbespot und ein Auftritt im Dschungelcamp. Danach wurde Küblböck musikalisch seriöser, wandte sich dem Jazz zu. Doch sein Glück fand der Ex-DSDS-Kandidat, der Zeit seiner Berühmtheit unzählige Hassmails empfangen hatte, nie. Im September 2018 sprang der Sänger von einem Kreuzfahrtschiff in den Nordatlantik. Sein Körper wurde nie gefunden.

Was Shada Ali angeht, steht in der Sendung am Samstag die Entscheidung an, ob er auch in den Live-Shows auftreten darf. Den Erfahrungen der bisherigen Jahre nach zu urteilen, trennt sich hier normalerweise die Spreu vom Weizen – andererseits, was ist im TV-Geschäft schon normal.

Sie haben suizidale Gedanken? Hilfe bietet die Telefonseelsorge. Sie ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr unter 0 800 / 111 0 111 und 0 800 / 111 0 222 und unter https://ts-im-internet.de/ erreichbar. Eine Liste mit findet sich auf der Seite der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention: https://www.suizidprophylaxe.de/