Weil man einer E-Ladesäule in Stuttgart-Degerloch ihren Defekt nicht ansieht, schließen E-Autofahrer ihr Fahrzeug immer wieder vergeblich an. Dass dort schon seit Monaten kein Strom mehr fließt, hat einen überraschenden Grund.

Degerloch - Vor etwa einem halben Jahr hat sich eine Frau aus Degerloch ein Elektroauto zugelegt. Sie möchte ihren Namen nicht in der Zeitung lesen. Weil sie zur Miete wohnt und Nachbarn nicht einverstanden wären, kann sie nirgendwo eine Wallbox zum Laden ihres neuen Autos anbringen. „Das wusste ich vorher schon, aber wir haben ja gleich hier an der Straße die Ladestation, wo ich es bequem aufladen könnte“, erzählt die Frau. Das Problem: Die Ladestation am Hainbuchenweg funktioniert nicht – ihrer Aussage nach schon seit mehr als einem Jahr.

 

Immer wieder beobachtet die Degerlocherin frustrierte E-Autofahrer an der Ladestation. Man sieht es der Säule nicht an, dass sie kaputt ist. „Manche stecken ihr Auto über Nacht an und wundern sich dann, warum sie morgens nicht losfahren können“, sagt die Frau.

Derzeit 145 Ladesäulen in Stuttgart

Im Stadtgebiet Stuttgart gibt es derzeit 145 Ladesäulen. Zum Jahreswechsel 2020/2021 hat die Stadt alle neu ausgeschrieben. In diesem Zuge ist die Station am Hainbuchenweg dem bisherigen Betreiber EnBW abgesprochen und der Eze Network GmbH zugesprochen worden. Andere Standorte werden künftig von den Stadtwerken übernommen. Die Stadt teilt zu dem Übergabeprozess mit: „Der Übergang der Ladestandorte an die beiden neuen Betreiber erfolgt Schritt für Schritt, damit die Nutzerinnen und Nutzer möglichst nur geringe Einschränkung bei der Verfügbarkeit haben.“

Von einer geringen Einschränkung kann am Hainbuchenweg eher keine Rede sein. Das Problem beginnt dort lange vor dem Übergabeprozess: Die EnBW teilt auf Anfrage mit, dass sie im vergangenen Sommer im Zuge einer regelmäßigen Wartungstour „irreparable Schäden“ unter anderem an der Ladestation am Hainbuchenweg gefunden hat. „Dies haben wir den jeweils neuen Standortbetreibern entsprechend kommuniziert“, sagt Heiko Willrett, ein Sprecher des Unternehmens. Damals wusste man bei der EnBW bereits, dass man nicht mehr lange für den Standort verantwortlich sein würde. Der neue Betreiber, die Eze Network GmbH, meint, dass der Standort bis heute der EnBW gehört – weil dort noch die Ladesäule des Unternehmens steht.

Jede Station müsse erst technisch geprüft werden

Offiziell ist die EnBW bis zum 31. Dezember 2020 Betreiber der Stuttgarter Ladesäulen gewesen, für die nun die Stadtwerke und die Eze Network den Zuschlag bekommen haben. Mit der aktiven Übernahme habe die Eze Network aber erst vor Ostern angefangen. Jede Station müsse erst technisch geprüft werden, dann baut die EnBW ihre Säule ab und die Eze Network ihre neue Säule auf. „Erst dann sind wir für diesen Standort verantwortlich“, sagt Michael Valentine-Urbschat, Geschäftsführer der Eze Network. Es könne bis Mai oder Juni dauern, bis ein Großteil der Standorte übernommen ist, meint er. Dann sollte auch am Hainbuchenweg wieder Strom fließen.

Vor Ort ist das ein Thema, das laut der Anwohnerin „ziemlich aufstößt“. Die E-Autofahrerin sagt, sie müsse nun ihr Auto meist unterwegs aufladen. Und wenn sie Glück habe, sei abends an der Felix-Dahn-Straße ein Ladepunkt frei. „Sonst muss ich mein Auto im Industriegebiet abstellen, und das ist dann schon sehr weit zum Heimlaufen“, sagt sie.

Bisher genutzte Apps oder Ladekarten sollen weiter funktionieren

Nach der Neuausschreibung der bestehenden Stuttgarter Ladestationen betreibt nun die EnBW 30 Stück, die Stadtwerke Stuttgart 62 und die Eze Network GmbH 53. Laut Informationen der Stadt Stuttgart wurden die Ladesäulen, die weiterhin von der EnBW betrieben werden, bereits erneuert. Bisher genutzte Apps oder Ladekarten der EnBW sollen weiterhin an allen Ladestationen funktionieren.

Zu den bestehenden sollen außerdem rund 350 neue Ladepunkte im Stadtgebiet hinzukommen. Ladesäulen, die bisher nur einen Ladepunkt haben, sollen künftig mit zwei ausgestattet sein. „Ziel ist es, bis Ende 2021 möglichst alle 1000 Ladepunkte an 500 Stationen im öffentlichen Stadtraum anbieten zu können“, heißt es in einer Pressemitteilung der Stadt. Hinzu kommen mehr als 20 neue Standorte für Schnellladestationen.