Belgien ist ein lebenswertes Land. Doch die Unzuverlässigkeit der belgischen Handwerker treibt deutsche Zuwanderer in den Wahnsinn. Unserer Korrespondent Christopher Ziedler schildert, wie ihn Parkett- und Heizungsrohrexperten zum Weinen bringen.

Brüssel - Ich habe lange geschwiegen, jetzt muss es raus. Das Fass zum Überlaufen brachte ein Facebook-Eintrag einer Kollegin, die sich fragte, warum Handwerker überhaupt eine Uhrzeit angeben, zu der sie zu kommen gedenken. Sie weiß gar nicht, wie gut sie es hat, schoss es mir durch den Kopf. In Belgien lautet die Frage, warum Handwerker überhaupt einen Tag, eine Woche oder einen Monat angeben.

 

Damit keine Missverständnisse aufkommen: Ich mag Belgien. Man weiß hier zu leben. Aber die dunkle Seite von Savoir-vivre und Laissez-faire treibt mich noch in den Wahnsinn. Unerwartet melden sich in mir die schwäbischen Gene, die nach Arbeitseifer und Zuverlässigkeit schreien.

Ich hatte, als ich 2010 nach Brüssel kam, ein altes Reihenhaus gefunden, und der Vermieter gewährte eine ordentliche Mietminderung dem, der die Renovierung selbst erledigte. Ein Kollege empfahl einen Typen namens Gaetan, der zwei Monate Zeit hatte, um eine Küchenzeile einzubauen und die heruntergekommenen Dielenböden im ersten Stock abzuschleifen. Je näher der Einzugstermin rückte, desto seltener tauchte Gaetan auf. Er ging nicht mehr an sein Handy. Das entscheidende Rendezvous zwei Tage vor Ankunft der Möbelpacker fand nur statt, weil ich ihm vor seiner Wohnung auflauerte: An diesem Sonntag sollten die Ecken des Parketts geschliffen und die Böden mit irgendeinem Zeugs eingelassen werden, um am Dienstagvormittag rechtzeitig einzugsbereit zu sein. Als Gaetan nach fünf Minuten fragte, ob ich passende Schleifscheiben hätte, musste ich weinen. Am Ende wurden alle Möbel und 140 Umzugskartons im Erdgeschoss abgeladen. Aber das ist lange her.

Neues Problem: Heizungsrohrbruch

Mein aktuelles Problem ist nun auch schon ziemlich alt. Es war kurz nach Ostern, als die Wand zwischen Wohnzimmer und Küche plötzlich feucht war. Der Vermieter schickte mehrere Handwerkerdarsteller, die aber nur Fotos machten. Nach den Sommerferien wölbte sich unter der Last des Heizungsrohrbruchs schon das angrenzende Parkett. Anfang Oktober rückte tatsächlich ein Trupp von Arbeitern an, der aber kein Werkzeug für das „grand problème“ dabei hatte und den versprochene Parkettspezialisten zur schonenden Öffnung desselben gleich drei mal nicht.

Mitte November, nach den ersten kalten Nächten ohne Heizung, siegte die Verzweiflung, als der Vermieter wieder dieselben Ahnungslosen schickte. „Machen Sie den verdammten Boden auf“, fluchte ich, so gut es ging, auf Französisch. Holz splitterte, der See unter unserem Wohnzimmer lag still, und neue Rohre wurden verlegt. Dass es in der Küche aufgrund irgendwelcher Komplikationen fortan keine Heizung mehr geben würde, wollte ich Spießer jedoch nicht akzeptieren. Als ich – kurz nach zwei Uhr nachmittags – darum bat, das Nachfolgeproblem doch bitte sofort zu beheben, flehte der Heizungsmann: „Restez humain, Monsieur!“ Ich solle doch bitte kein schwäbischer Unmensch sein.

Erst seit der Woche vor Weihnachten haben wir einen neuen Heizkörper in der Küche. Sogar die Löcher in Boden und Wand wurden geschlossen – das in der Mauer mit einem Riesenklecks Gips, der über die Feiertage wie ein Mahnmal an der Wand prangt. Aus den wieder zusammengeleimten Dielenbrettern ragen zentimeterdicke Splitter. In diesem Jahr, so die Aussage der Handwerker, hätten sie aber leider keine Termine mehr frei. In diesem Sinne: Une bonne année nouvelle!