Frisch gepresster Mangosaft? Viel zu gesund! Die Mexikaner trinken lieber Cola in allen Variationen – nicht ohne Folgen, wie unser Korrespondent Klaus Ehringfeld festgestellt hat.

Korrespondenten: Klaus Ehringfeld (ehr)

Mexiko-Stadt - Ich muss diese Zeilen mit einem Geständnis beginnen. Ich trinke gerne koffeinhaltige Brausegetränke. Vielleicht bin ich einfach schon zu lange hier in Mexiko und habe mich den Landessitten angepasst. Zu den wenigen Dingen, die nie in meinem Kühlschrank fehlen, gehören Milch für den Kaffee und Eiswürfel für meine Getränke. Und eben ein paar Dosen Coca-Cola. Was braucht ein Reporter mehr, um sich wach zu halten? Aber zu meiner Entlastung kann ich anfügen: Ich trinke die zuckerfreie Version. Die in der schwarzen Dose – die für echte Männer.

 

Irgendwie fühlte ich mich aber dennoch schuldig, als ich neulich diese Studie über die mexikanischen Ernährungsgewohnheiten las. Die kam auch noch von der Universität Harvard, der Super-Uni in den USA. Das stimmt also bestimmt, denke ich, was die da so herausgefunden haben.

Bei jedem guten Familienfest kommt die Brause auf den Tisch

Demnach haben Übergewicht und Zuckerkrankheit in den vergangenen sechs Jahren in Mexiko etwa eine halbe Million Menschen getötet. Das sind ungefähr sieben Mal mehr Opfer als in der gleichen Zeit Menschen im Drogenkrieg ums Leben kamen. Jedenfalls – so die Studie – trinken die Mexis mehr zuckerhaltige Brausegetränke als jeder andere Mensch auf diesem Planeten. Es sind pro Jahr und Nase 180 Liter, was also pro Tag etwa einen halben Liter ausmacht. Damit stellen die Mexikaner sogar ihre Nachbarn in den USA in den Schatten, die das Getränk erfunden haben. In der Heimat der koffeinhaltigen Brause werden 118 Liter pro Kopf und Jahr getrunken.

In Mexiko gehört es zu jedem guten Familienfest, mehrere Zwei-Liter-Flaschen Zuckerbrause in den wildesten Farben auf den Tisch zu stellen: rot, grün und natürlich die schwarze Königin der Brausen. Die Folge: sieben von zehn Erwachsenen und jedes dritte Kind sind übergewichtig.

Mütter geben ihren Babys Cola im Fläschchen statt Milch

Aber der exzessive Konsum von Süßgetränken ist nicht nur schlechte Angewohnheit, sondern auch ein Problem von Arm und Reich. Je ärmer die Menschen, desto mehr trinken sie Limos. Busfahrer haben immer eine dabei, Straßenhändler sowieso, und vor allem die meist sehr armen Ureinwohner verzichten selten auf Cola. Ernährungsexperten machen dafür zwei Faktoren verantwortlich: die Verfügbarkeit selbst im abgelegensten Dorf des Landes und das Gefühl von Sattheit, das eine Flasche Brause vermittelt. Wer in Mexiko aufs Land fährt, wo die Armut am größten ist, kann Mütter sehen, die ihren Kindern Cola statt Tee oder Milch ins Fläschchen füllen.

Mein Vitamin-Mann Enrique wird richtig wütend, wenn wir über diese Dinge sprechen. Enrique ist 74 und verkauft fast sein ganzes Leben schon die leckersten Säfte in einer kleinen Bude hinter meinem Haus: frisch gepressten Pampelmusensaft, flüssige Gesundheitsbomben aus Rote Beete, Karotten und Sellerie, Mischungen aus Orangen, Mangos und Guajaven. Aber er sieht vor allem bei jungen Leuten immer weniger Interesse an seinen Getränken. „Wenn sie hören, dass der Saft zehn Pesos kostet, sagen sie danke, gehen zum nächsten Kiosk und kaufen eine Flasche Cola.“