Manchmal sind Apfelsaft und Kinderspielsachen gefährlicher als Messer. Und Rollstühle erst! Wie Kontrolleure an amerikanischen Flughäfen Passagiere in den Wahnsinn treiben, erzählt unser USA-Korrespondent Andreas Geldner.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Washington - Die US-Flughafenschützer haben wieder zugeschlagen. Das neueste Terrorrisiko: ein 18 Monate altes Kleinkind, dem in Fort Lauderdale der Zugang zu einem Flug verweigert wurde. Der Name der kleinen Riyanna war auf der Flugverbotsliste der US-Regierung aufgetaucht. Die Beamten wollten das Kind deshalb verhören. Die Eltern hatten anschließend keine Lust mehr auf den Flug.

 

Ein Versehen sei das alles gewesen, sagten später die Verantwortlichen. Aber wer kam überhaupt auf die Idee, das Kind herauszuwinken? Gesunder Menschenverstand gehört wohl nicht zur Qualifikation der Beamten, die nach dem 11. September 2011, als mit Messern bewaffnete Terroristen durch alle Kontrollen schlüpften, das Heft an den US-Flughäfen in die Hand genommen haben. Seither ist die TSA, wie die zum Monstrum gewucherte Behörde heißt, zum Hassobjekt geworden.

Apfelsaft ist gefährlicher als ein Messer

Eines habe ich als Vielflieger von ihr gelernt: Wale und Apfelsaft sind gefährlicher als Messer. Kaum ein Flug vergeht, ohne dass mein in originalgetreue Gummitiere eines deutschen Fabrikats verliebter jüngster Sohn die höchste Alarmstufe auslöst. Inzwischen verfolgt er jedes Mal in fröhlicher Erwartung, ob ein handschuhbewehrter Sicherheitsbeamter wieder dem aus den Tiefen der Spielzeugtasche hervorgekramten Pottwal in die Augen blickt. Noch mehr Spaß macht allerdings die Hightech-Schnuppersonde, die in den Kinderbecher mit dem Apfelsaftschorle gesenkt wird. Auch schwäbischer Most hat den chemischen Test zum Glück immer bestanden.

Anstandslos durch alle Scanner hindurch glitt hingegen das Werkzeugmesser, das bei einem anderen Flug kurz vor der Durchleuchtung noch in meiner Hosentasche steckte. Panisch warf ich es in die mit den üblichen Stripteaseobjekten wie Gürtel und Schuhen gefüllte Plastikwanne. Die Wanne kam am anderen Ende heraus. Das zehn Zentimeter lange Messer lag offen auf Handy und Portemonnaie. Ich blickte mich um. Keine Lampe blinkte. Um Gottes willen jetzt bloß keine Diskussionen: ein eleganter Wurf – und die Terrorwaffe verschwand im nahen Abfallbehälter. Kurz darauf schaffte es mein ältester Sohn, versehentlich ein Schweizer Taschenmesser in der Hosentasche von Washington bis Amsterdam zu bringen, wo es ein verblüffter niederländischer Zöllner zu Tage förderte. Der konnte nicht glauben, dass es diese alpine Nahkampfwaffe in der Hauptstadt der freien Welt durch sämtliche Kontrollen geschafft hatte.

Rollstühle sind ein besonders Risiko

Ähnlich ging es dem dicken Spielzeugbus aus Metall, den mein Jüngster in seinen Rucksack gestopft hatte. Erst den Kontrolleuren vor dem Anschlussflug in Paris fiel auf, dass er auf dem Überwachungsbildschirm verblüffende Ähnlichkeiten mit einer Granate hatte.

Aber in den USA ist man wohl auf andere Risiken fixiert. Auf Rollstühle etwa. Jüngst erregte der Fall einer leukämiekranken 95-jährigen Frau Aufsehen, die auf einem Flug nach Michigan eine Dreiviertelstunde lang durch die Mangel genommen wurde und sogar ihre Unterwäsche ausziehen musste. Die Empörung war vergeblich. Bei meinem letzten Flug passierte ich in Baltimore ein wohl über 80 Jahre altes Ehepaar, das peinlich berührt dabei zusah, wie ein auf dem Boden kriechender Kontrolleur seinen Rollstuhl zu zerlegen versuchte.