Die Stuttgarter Band Eau Rouge blickt im ausverkauften Merlin vor viel Szeneprominenz auf ihr bisheriges Schaffen zurück. Von dem Abend wird aber aus einem ganz anderen Grund noch etwas zurückbleiben.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Das Kulturzentrum Merlin ähnelt am Freitagabend einem Wimmelbild der jüngeren Stadtgesellschaft. Im Café feiert der Radentscheid, dass er jetzt die 20.000 Unterschriften beisammen hat, wegen derer sich der Gemeinderat mit den Anliegen der Zweiradfreunde befassen muss. Im Eingangsbereich des Saals trifft man sodann reichlich Szeneprominenz, vom Irgendwie-Noch-Popbürochef Peter James über den Tontechniker Ralv Milberg bis zu diversen Musikern, etwa Joscha Brettschneider. Man kämpft sich durch ein recht gut durchmischtes Publikum in seinen Zwanzigern und steht schließlich vorne an der Bühne umringt von Studenten, die allerlei Kameras aufgebaut haben, um den anstehenden Auftritt von Eau Rouge zu dokumentieren. Von diesem Freitag wird also auf jeden Fall etwas bleiben.

 

Ja, die Stuttgarter Band und ihr Support Into The Fray haben das Merlin ausverkauft, und die erste große Freude des Abends ist das bunte Stadtvolk, das sich aus so einem Anlass versammelt. Die zweite Freude, eher eine Vorfreude, stellt sich beim Blick auf die weitere Bühnentechnik ein. Eau Rouge betonen, und das mit Recht, dass sie alles live spielen - was man nach dem Hören der Studioaufnahmen, etwa ihrer aktuellen Single "Closer", gar nicht meinen möchte. Der Sänger und Gitarrist Jonas Teryuco zum Beispiel erzeugt diesen Sound mit, wir haben nachgezählt, nicht weniger als 15 Effektgeräten.

Irgendwann, man rutscht da irgendwie so rein, läuft das Konzert. Die Band hat sich offenbar vorgenommen, ihren gesamten klanglichen Kosmos vorzuführen. Der Einstieg gelingt mit der artifiziell anmutenden Klangwelt von "Margery", einer Single aus dem bislang einzigen echten Eau-Rouge-Album. Es folgen weitere Klangfarben: das hart verzerrte, auf der Gitarre gespielte Bass-Riff, synkopische Disconummern, Gitarren in unendlichen Klangräumen. Jonas Teryuco lässt seinen markant gehauchten Gesangsstil etwas häufiger hinter sich und setzt sich so etwas mehr an die Spitze der Songs, die in ihrem Herzen oft wirklich kraftvolle moderne Rocknummern sind. 

Headlinertaugliches Repertoire

Auf der auch von der Lichtshow nicht nachhaltig aufgehellten Bühne geben Eau Rouge von Anfang an 110 Prozent. Seit es diese Band gibt, halten die drei Musiker es so. Unzählige Singles, Videos, Tourneen haben sie in fünf Jahren Bandgeschichte produziert - eine fast hyperaktive, im Rhythmus von Veröffentlichung und Liveterminen aber eigentlich ganz klassisch arbeitende Band-Maschine mit einem längst headlinertauglichen Repertoire.

An zwei, drei Stellen hat man im Merlin den Eindruck, dass die Band die Bühne des Kulturzentrums mit der Mainstage bei einem mittelgroßen Festivals verwechselt. Das Introspektive der Eau-Rouge-Songs wird von der äußerst energischen Liveperformance fast vollständig überdeckt. Das muss gerade bei einer Heimspiel-Show kein Problem sein, zumal es für die vielen anwesenden Fans ohnehin nicht ihr erstes Eau-Rouge-Konzert ist. Und doch kommt so eben ein Teil der aufs Extreme gepolten Klangwelt der Band etwas zu kurz. Was indes gar nichts von der beeindruckend professionellen und klanglich perfekten Performance wegnimmt. Wie an dieser Stelle schon öfter geschrieben: Diese Band geht ihren Weg, und er führt weiterhin nach oben.


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