Bekam der SPD-Politiker Edathy einen Tipp, dass gegen ihn ermittelt werden soll? Innenausschuss-Chef Bosbach glaubt das. Niedersachsens Justizministerium hat bisher keine Hinweise.

Bekam der SPD-Politiker Edathy einen Tipp, dass gegen ihn ermittelt werden soll? Innenausschuss-Chef Bosbach glaubt das. Niedersachsens Justizministerium hat bisher keine Hinweise.

 

Berlin/Hannover - Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), geht weiter von einem Informanten in der Affäre um den SPD-Politiker Sebastian Edathy aus. Dies machte Bosbach am Mittwoch in Berlin zum Auftakt einer Sitzung des Innenausschusses zum Fall Edathy deutlich.

Das niedersächsische Justizministerium hat jedoch bislang keine Hinweise, dass Edathy vor den Ermittlungen gegen ihn wegen des Verdachts auf Besitz von kinderpornografischem Material gewarnt wurde. „Die Frage „Gab es einen Informanten?“ kann ich ihnen nicht beantworten. Natürlich wird deswegen ermittelt“, sagte Justizstaatssekretär Wolfgang Scheibel im Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen des niedersächsischen Landtags in Hannover.

Bosbach fordert Klartext

Bosbach forderte im Bundestagsausschuss die Beteiligten auf, nun Klartext zu reden. Andernfalls werde der Ruf nach einem Untersuchungsausschuss lauter. Der Innenausschuss kam am Morgen zu einer nicht öffentlichen Sitzung zusammen. Zunächst waren der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Jörg Ziercke, und der frühere Innenstaatssekretär Klaus-Dieter Fritsche eingeladen worden. Am Nachmittag und Abend wurden unter anderen SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann und SPD-Chef Sigmar Gabriel erwartet.

Die SPD-Spitze wusste frühzeitig über Vorwürfe gegen Edathy. Im Raum steht nun die Frage, ob der Politiker vor den Ermittlungen gewarnt wurde. Die Union hat vor allem Oppermann im Visier, der die Vorgänge öffentlich gemacht und bei Ziercke versucht hatte, Informationen dazu zu bekommen. Bosbach sagte, der Anruf Oppermanns bei Ziercke sei wohl das pikanteste Detail der Affäre.

Grüne kritisieren Kanzlerin Merkel

Die Grünen warfen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Edathy-Affäre mangelndes Interesse an Aufklärung vor. Merkel agiere wie eine Beobachterin, die das Geschehen von außen kommentiere, kritisierte Fraktionsgeschäftsführerin Britta Haßelmann: „Da kann man aber nicht nur präsidieren. Sie ist die Chefin.“ Vor der Entscheidung über einen Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Vorgänge um Edathy wollen die Grünen zuerst die Ergebnisse des Innenausschusses abwarten.

Den Grünen, die auch Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) befragen möchten, geht es vor allem um einen Brief der Staatsanwaltschaft Hannover über geplante Ermittlungen gegen Edathy, der verzögert und unverschlossen im Bundestag angekommen war. „Wir wollen umfassend aufklären. Der geöffnete Brief ist ein zentraler Puzzlestein dabei“, sagte die Grünen-Obfrau im Innenausschuss, Irene Mihalic.

Parteichefs schweigen

Die Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD, Merkel, Horst Seehofer und Gabriel, hatten am Dienstagabend nach Auswegen aus der Vertrauenskrise in der großen Koalition gesucht. Über den Inhalt des gut zweistündigen Treffens im Kanzleramt sickerte zunächst nichts nach außen. Merkel hatte sich vor dem Gespräch zuversichtlich gezeigt, dass das Vertrauen wieder hergestellt werden könne.

In die Kritik geraten ist vor allem Oppermann. Er hatte öffentlich gemacht, dass der damalige Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) Gabriel darüber informiert hatte, dass Edathys Name bei Kinderpornografie-Ermittlungen im Ausland aufgetaucht sei. Friedrich musste daraufhin am Freitag als Bundesagrarminister zurücktreten. Ihm wird nun Geheimnisverrat vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft Berlin prüft einen Anfangsverdacht.

FDP-Vize Wolfgang Kubicki erstattete unterdessen Strafanzeige gegen Oppermann und Ziercke. Ein FDP-Sprecher in Kiel bestätigte entsprechende Informationen der Tageszeitung „Die Welt“. Kubicki habe als Privatmann die Strafanzeigen abgeschickt. Oppermann wirft er die Anstiftung zur Verletzung von Dienstgeheimnissen vor, Ziercke die Verletzung von Dienstgeheimnissen.

Derweil geht die politische Debatte über schärfere Gesetze gegen Kinderpornografie weiter. Bosbach sprach sich im WDR dafür aus, den Handel mit Nacktfotos von Kindern und Jugendlichen grundsätzlich unter Strafe zu stellen.