1500 Stadionbesuche und kein bisschen VfB-müde: Peter Zimmermann geht mit seinem Herzensclub durch dick und dünn – seit fast 50 Jahren. Porträt eines Fans mit angeborener Leidensfähigkeit.

Sport: Gregor Preiß (gp)

Stuttgart/Mannheim - Beiläufig rattert Peter Zimmermann den Spielplan der kommenden Tage und Wochen herunter. Freitag halb neun in Leverkusen, sonntags in Gladbach, Dienstag Wolfsburg, Sonntagmittag München. Das weiß-rote Gedächtnis ist gut trainiert und kennt keine Lücken. Kein Wunder. Peter Zimmermann fiebert schließlich bei fast jedem Spiel des VfB Stuttgart mit. Seit 1969.

 

Seinen Verein sucht man sich bekanntlich nicht aus. Auch der heute 65-Jährige hatte keine Wahl. Schuld waren sein Vater und Günter Sawitzki. Die Stuttgarter Torwartlegende, weil Zimmermann über sie erstmals auf den Club aus Cannstatt aufmerksam wurde. 1963 war das, bei einem Länderspiel gegen Schweden. Sawitzkis Schiebermütze muss auf den Sprössling bleibenden Eindruck gemacht haben. Vier Jahre später versuchte sein Vater – ein Ehrenmitglied des Karlsruher SC – gegenzusteuern. Er nahm seinen Sohn zu einem Spiel des VfB gegen den KSC mit ins Stadion. Und macht damit aus seiner Sicht alles nur schlimmer. Zimmermann junior war den Roten verfallen – und ist es bis heute.

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Rund 1300 Spiele in der Fußball-Bundesliga hat der gebürtige Heidelberger seither besucht, das letzte erst am vergangenen Wochenende in Nürnberg. Hinzu kommen circa hundert internationale Begegnungen und nochmal so viele im DFB-Pokal. Zum Vergleich: Der 2012 verstorbene Julius Weller, einer der bekanntesten VfB-Fans der Geschichte, brachte es auf über 1700 besuchte Pflichtspiele. „Einen Verein verlässt man nicht so schnell wie seine Frau“ – das Mantra eines jeden echten Anhängers gilt für einen Edelfan wie Zimmermann erst recht. Weshalb sich der Mannheimer bei Besuchen des Hoffenheimer Stadions angesichts des älteren Publikums jedes Mal ungläubig fragt: Wem haben die früher die Daumen gedrückt?

Im Fiat 127 zum Costa-Brava-Cup

Apropos Frau: Zimmermanns Gattin begleitet ihn meistens. Sie reist eben gern. Auch an alle möglichen und unmöglichen Stätten des Fußballs. Der So-gut-wie-Allesfahrer Zimmermann macht keine halben Sachen. Hamburg, Dortmund, Gelsenkirchen – zigmal gesehen. Bad Kreuznach, Baunatal, Ventspils, Tatabanya – immer mit dabei. In den 70er Jahren unterstützten Zimmermann und seine Kumpels vom Club der VfB-Freunde ihre Mannschaft sogar bei Turnieren wie dem Costa-Brava-Cup. Stilecht im Fiat 127 nach Girona. „Eine gewisse Leidensfähigkeit muss man mitbringen“, sagt er.

Auch 1984 in Bremen durfte der Fußball-Verrückte nicht fehlen. Mit vielleicht hundert anderen VfBlern erlebte Zimmermann vor Ort, wie Hermann Ohlicher den Club zur Deutschen Meisterschaft schoss. Hundert Fans bei einem Auswärtsspiel – aus heutiger Sicht kaum mehr vorstellbar. „Es waren eben andere Zeiten“, sagt Zimmermann in breitem Kurpfälzer Idiom. Die Fankultur war eine ganz andere, das Reisen beschwerlich. Einen ICE gab es noch nicht. Das Spiel 1984 im Weserstadion bezeichnet Zimmermann als einen der Höhepunkte in 50 Jahren Fanleben. Seine Eintrittskarte spendete er dem VfB-Archiv.

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Mit den Jahren hat er auch eine persönliche Beziehung zum Verein aufgebaut. Zimmermann ist bekannt beim VfB, auch weil er bei Mitgliederversammlungen gern mal seine Meinung sagt. Den früheren Geschäftsführer Thomas Weyhing kannte er ganz gut. Als er vor einem Europapokalspiel in Brügge auf der Geschäftsstelle seine Eintrittskarte abholen wollte, beschied ihm Weyhing: „Tut mir leid, aber Sie sind in der Mannheimer Hooligan-Kartei erfasst.“ Was sich später als Verwechslung herausstellen sollte, bescherte dem glücklichen Fan zwei Ehrenkarten für das Spiel.

Es sind diese Erlebnisse, die den früheren Umsatzsteuerprüfer, der meist per Zug zu seinem Herzensclub reist, auch nach seiner Pensionierung noch lange nichts ans Aufhören denken lassen. Einmal VfB, immer VfB. Daran kann noch nicht einmal die aktuelle Krise etwas ändern. Dafür hat Zimmermann schon zuviel erlebt.