Die zweite Staffel der amerikanischen Serie „The Handmaid’s Tale“ ist da. Die von Elisabeth Moss gespielte Offred dient weiterhin als Sklavin in einem Gottesstaat bibeltreuer Fundamentalisten.

Stuttgart - Es gibt sie noch, die Menschen, die mit „Lassie“ und „Bonanza“ oder mit „Magnum“ und „Lou Grant“ groß wurden und sich dann irgendwann von Fernsehserien verabschiedet haben. Die vorsätzlich weggehört haben, als in den letzten zwei Jahrzehnten vom Serienwunder die Rede war, überzeugt, das ewig Infantile des Mediums längst durchschaut zu haben. Müsste man denen die Revolution in einem wachmachenden Satz erklären, sollte der wohl lauten: „Das Gute siegt nicht mehr.“ Und keine andere Serie schöpft diese Freiheit des Erzählens derzeit beklemmender aus als „The Handmaid’s Tale“, deren zweite Staffel nun beim Telekom-Streamingdienst Entertain TV abrufbar ist.

 

Diese grimmige Vision einer nahen Zukunft spielt auf einem nordamerikanischen Kontinent, der in weiten Teilen biblisches Patriarchenland geworden ist. Fundamentalistische Konservative sind an der Macht, die aus den archaischsten Stellen der Bibel die Richtlinienliste ihrer Diktatur gemacht haben. Die Frau ist hier dem Manne tatsächlich Untertan.

Schneidend ungemütlich

Doch die bürgerlichen Frauen führen im Gilead genannten Staat noch ein privilegiertes Dasein, verglichen mit den Mägden, die im Mittelpunkt der Handlung stehen. Elisabeth Moss spielt Offred, eine Frau, die auf elementarer biologischer und sexueller Ebene ausgebeutet wird. Die sture Elite im bornierten Gilead wird immer unfruchtbarer, und die Mägde werden auf dem Schoß der Ehefrauen vom Herrn des Hauses beschlafen, als Gebärsklavinnen ohne Rechte.

Natürlich gibt es Unruhe, Trotz, Aufbäumen, Widerstandskampf in dieser Gesellschaft. Aber davon erzählt „The Handmaid’s Tale“ zum Auftakt mit einer schneidenden Ungemütlichkeit. In der ersten Staffel gab es Widerstand –und nun sehen wir, wie mit den Unterlegenen umgegangen wird. Das System nutzt Opposition, um sich zu stärken, ihm ist ein wenig Unbotmäßigkeit durchaus willkommen, weil sich so genüsslich und wirkungsvoll Exempel statuieren lassen.

Sorgfältig wie ein Kinofilm

So nahe man den Charakteren und ihrem Schicksal auch in der zweiten Staffel kommt, das wahrhaft Faszinierende an „The Handmaid’s Tale“ sind nicht die Individuen, sondern die Verhältnisse. Wieder kommt in keinem Moment das Gefühl auf, dass „alle Ketten sich irgendwann brechen lassen“.

Die preisgekrönte Serie erzählt von Ohmacht und Sich-fügen-Müssen, von Überlebensstrategien und Demütigungen. Wo manche andere Qualitätsserie Schauwerte vor die Kamera bringt, die man früher nur von großen Kinofilmen kannte, arbeitet „The Handmaid’s Tale“ zwar ebenfalls in Bild und Ton ungemein sorgfältig, setzt aber auf Reduktion.

Die Alternative zum Selbstmord

Die Welt von Offred und ihren Leidensgenossinnen ist eine verminderter Reize, entzogener Möglichkeiten, versperrter Perspektiven – Flucht kann hier fast nur nach innen führen. Und auch dorthin setzen die extremen Christen nach, wollen Gedanken, Gewissen und Gefühle drillen.

Eine Möglichkeit, dem allem zu entkommen, gibt es aber jenseits von Selbstmord doch: Wer es nach Little America in Kanada schafft, kann in dieser freiheitlicheren Gesellschaft aufatmen. Die zweite Staffel führt öfter hierher, sie weitet auch sonst den Blick, ist nicht ganz so stark und klaustrophobisch auf die schlimmen Erfahrungen von Offred konzentriert. Aber von Hoffnung ist sie immer noch weit entfernt.

Anbieter: Entertain TV, alle 13 Folgen der zweiten Staffel beim Streamingdienst der Telekom. Staffel 1 mittlerweile auch als DVD/Blu-ray.