Mit Tierpatenschaften erreichen Politiker oft mehr Aufmerksamkeit als mit ihren politischen Beschlüssen. Die neue Grünen-Chefhaushälterin Edith Sitzmann folgt diesem Beispiel mit der Patenschaft für ein Kleinkamel in der Wilhelma in Stuttgart.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Politik ist bekanntlich ein undankbares Geschäft, und für den Finanzminister gilt das nochmal mehr. Überall macht er sich unbeliebt, wenn er das Geld zusammenhält. Doch die Bürger goutieren seine Sparerfolge nur spärlich. Lässt er sich wie Nils Schmid (SPD) mit einer mannshohen schwarzen Null fotografieren, setzt es prompt Spott.

 

Doch im schweren Alltag des Kassenwarts gibt es Lichtblicke: die Fototermine in der Stuttgarter Wilhelma. Regelmäßig kreuzen der für den Zoologisch-Botanischen Garten zuständige Ressortchef oder sein Staatssekretär dort auf, um öffentlichkeitswirksam die Patenschaft für ein Tier zu übernehmen. Das Publikum erfährt von der guten Tat durch Aufnahmen, die den Politiker mit seinem neuen Schützling zeigen - mal zutraulich tätschelnd, mal mit Sicherheitsabstand. Auf solche Bilder erhält er oft ungleich mehr Resonanz als auf die schwersten Etat-Operationen.

Steuerrechtlich geht es um eine Spende

Kein Wunder also, dass die neue Chefhaushälterin die von ihrem Vorgänger liebevoll gepflegte Tradition fortführt. An diesem Montag wird Edith Sitzmann erstmals Patin: ein junges Vikunja namens „Calimero“ nimmt sie da symbolisch in ihre Obhut, sekundiert vom Wilhelma-Direktor Thomas Kölpin, der die Urkunde dazu überreicht. Meist sind es besondere Tierarten wie die aus Südamerika stammenden Kleinkamele, auf die der Zoo bei den PR-Terminen den Blick lenkt. Pünktlich zum „Patentag“ am nächsten Freitag (28. Oktober) sollen damit noch mehr Bürger ermuntert werden, sich jeweils für ein Jahr auf diese Weise zu engagieren; derzeit sind es etwa 400.

Nach dem Steuerrecht handelt es sich laut Finanzministerium um eine „nicht zweckgebundene Spende“. Diese fließe in einen Topf, aus dem die Wilhelma besondere Investitionen bezahle – zuletzt etwa die neue Außenanlage für Landschildkröten. Ihre Höhe ergibt sich aus Listen, getrennt für Tiere und Pflanzen. Vikunjas schlagen danach mit 300 Euro Grundbetrag zu Buche, zuzüglich 50-Prozent-Aufschlag für ein bestimmtes Tier, gegebenenfalls verdoppelt für die alleinige Patenschaft. Das Geld – ein genauer Betrag wird nicht genannt – bringe die Ministerin privat auf, versichert ihre Pressestelle, die erst unlängst ihrerseits eine Mandarinente (Grundbetrag: 50 Euro) unter ihre Fittiche nahm. Bezahlt wurde ebenfalls aus dem eigenen Portemonnaie. Am beliebtesten sind übrigens Erdmännchen (100 Euro), weil die als „so süß“ gelten.

Anfassen dürfen Paten eigentlich nicht

Man könnte Sitzmanns Wahl als Ausdruck einer neuen Bescheidenheit werten, verglichen mit den deutlich „teureren“ Tieren, derer sich ihr Vorgänger annahm. Erst war es ein Bonobo-Affenbaby namens „Lubao“ (Listenwert: 4000 Euro), dann ein Nashorn-Junges (5000 Euro), „Savita“, schließlich „Lumara“, ein Okapi-Kalb (2500 Euro). Stets fand Nils Schmid nette Worte für die Wilhelma im Allgemeinen und die Tiere im Besonderen: „Ein echter Sonnenschein“ sei etwa das kleine Panzernashorn, das sich sogar streicheln ließ.

Anfassen gehört bei Normal-Paten eigentlich nicht dazu, aber für Politiker macht der Zoo schon mal eine Ausnahme. Vorausgesetzt, sie trauen sich überhaupt. Manchmal hätten die Menschen mehr Scheu vor der direkten Begegnung als die Tiere, erzählt ein Wilhelma-Sprecher. Zu unliebsamen Vorfällen sei es jedenfalls noch nie gekommen, aber im Fall von Folgeterminen rate man vorsorglich zu Ersatzkleidung. Bei den mit den Lamas verwandten Vikunjas besteht für Sitzmann ein gewisses Risiko: sie spucken ebenfalls. Aber das wäre wohl harmlos im Vergleich zu den aktuellen verbalen Attacken gegen die grün-schwarze Finanzpolitik.

Ein Mammutbaum für Ingo Rust

Schmids einstiger Staatssekretär Ingo Rust (SPD) ging solchen Problemen übrigens ganz aus dem Weg: Er übernahm 2014 die Patenschaft für einen der uralten Mammutbäume (2500 Euro), die die Parkanlage prägen. Seine Nachfolgerin im Neuen Schloss, die Grüne Gisela Splett, peilt dem Vernehmen nach ebenfalls bereits eine Patenschaft an. Für wen oder was – das wird noch nicht verraten.

http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.nashorn-baby-in-der-wilhelma-die- kleine-savita-waechst-und-gedeiht.3e959ba6-9e2d-4f9a-bd94-1a0e22263c