Wie die Volleyballerin Beate Faure, ehemalige Bühler, 1984 unverhofft noch zur Olympia-Teilnahme kam – und warum Eröffnungs- und Abschlussfeier in Los Angeles für sie schief gelaufen sind.

Filder - Nein, so hatte sich Beate Faure die Eröffnungsfeier 1984 im Los Angeles Memorial Coliseum ganz und gar nicht vorgestellt. „Als wir Athleten endlich ins Stadion einlaufen durften, war so gut wie alles schon vorbei“, sagt die in Möhringen aufgewachsene Volleyballerin, die mit der deutschen Nationalmannschaft ein Ticket für die Spiele in den USA ergattert hatte – und die damals mit Nachnamen noch Bühler hieß.

 

Es wären faszinierende Bilder gewesen: die 110 Trompeter und 20 Kesselpaukisten, die das eigens komponierte „Los Angeles Olympic Theme“ spielten. Die fünf Flugzeuge, die den Schriftzug „Welcome“ in den Himmel schrieben. Der „Rocketman“, der im Stadion landete. Die 30-minütige Vorführung einer Marschkapelle mit 800 Musikern. Oder die Zuschauer-Choreografie, bei der die rund 85 000 Gäste farbige Plastikkarten heben mussten und so die Flaggen aller teilnehmenden Länder abbildeten. Nur: all das und noch einiges mehr ist Beate Faure an jenem 28. Juli 1984 entgangen. Der Grund: ein Streik der Technik.

„Überhaupt nicht funktioniert“

Bis zum Einmarsch der Athleten hätte das Showprogramm in die große Halle übertragen werden sollen, in der die mehreren Tausend Sportler „geparkt“ waren. „Leider hat das Ganze überhaupt nicht funktioniert“, erinnert sich Faure, die seit 1996 in Frankreich lebt. Und so hat die heute 57-Jährige lediglich die offiziellen Reden, unter anderen von US-Präsident Ronald Reagan, der die Spiele für eröffnet erklärte, das Hissen der Olympischen Flagge, das Freilassen der 4000 Tauben als Symbol des Friedens und den von Edwin Moses gesprochenen Olympischen Eid live mitbekommen. Ein Glück, dass ihre Eltern die ganze Zeremonie zuhause in Möhringen auf einer VHS-Videokassette verewigten.

Profitiert vom Boykott

Dass Faure, damals gerade 20 Jahre alt, und die deutschen Volleyballerinnen überhaupt in Los Angeles dabei waren, hatten sie dem Fernbleiben zahlreicher Ostblock-Länder zu verdanken. Diese hatten als Revanche für den Moskau-Boykott der USA und anderer westlicher Nationen vier Jahre zuvor auf eine Teilnahme verzichtet. Als Fünfter der Europameisterschaft hatte sich das bundesdeutsche Team eigentlich gar nicht qualifiziert gehabt. „Dass wir dann trotzdem mitmachen durften, war natürlich super, auch wenn das einen leichten Beigeschmack hatte“, sagt Faure. So fehlten mit den Mannschaften aus der DDR und der UdSSR unter anderen der Erste und Zweite der kontinentalen Titelkämpfe.

Am Ende belegten Faure und ihre Kolleginnen in LA unter acht Teams den sechsten Platz. „Wir haben uns ganz gut verkauft“, sagt Faure, die auf der Diagonalposition viel Einsatzzeit bekam. Dieser sechste Rang ist bis heute die beste Platzierung einer west- beziehungsweise gesamtdeutschen Auswahl bei Olympischen Spielen. 2000 in Sydney, dann nach der Wiedervereinigung, reichte es noch einmal für das gleiche Ergebnis.

Die Begegnung mit Magnum

Nachdem die Deutschen in ihrer Vorrundengruppe gegen die späteren Finalisten aus China und den USA jeweils klar mit 0:3 verloren hatten, gelang ihnen gegen Brasilien ein 3:2-Erfolg. Das Spiel um Platz fünf endete schließlich mit 0:3 gegen Südkorea. Weil sich das amerikanische Volk als sehr volleyballinteressiert entpuppte, sei die Stimmung in der Sporthalle immer sehr gut gewesen. Einmal weilte sogar der Schauspieler Tom Selleck, hierzulande vor allem bekannt als Thomas Magnum aus der gleichnamigen Fernsehserie, unter den Zuschauern. „Ich habe ihn in echt gesehen“, sagt Faure und lacht. Ein Autogramm habe sie sich damals aber nicht geholt.

Was ihr vor allem vom Volleyballturnier in Erinnerung geblieben ist, ist die „riesige Enttäuschung“ der US-Amerikanerinnen nach deren 0:3-Finalniederlage gegen China. „Die Mannschaft war total auf Gold gepolt und ist dann richtig zusammengebrochen“, sagt Faure. Genossen hat sie derweil die tolle Atmosphäre im Olympischen Dorf, wo alle deutschen Sportler im selben Haus untergebracht waren. Die Pins, die Faure damals mit ausländischen Sportlern getauscht hat, sind heute noch in „irgendeinem Karton auf dem Dachboden“. Auch den Trip mit der Teamgefährtin Renate Riek, mit der sie damals auch beim SV Lohhof zusammengespielt hat und die später mit 518 Einsätzen Volleyball-Rekordnationalspielerin wurde, sowie dem deutschen Co-Trainer Jürgen Buschmann hat sie nicht vergessen. Nach Abschluss der Spiele ist das Trio in einem gemieteten Auto von Los Angeles nach San Francisco gefahren. „Da haben wir Amerika dann richtig genossen – mit Fast Food und allem, was so dazugehört“, sagt Beate Faure

Bei der Party nur Zuschauer

Und die Schlussfeier zuvor am 12. August? Die ist für die Volleyballerin ähnlich schief gelaufen wie die Eröffnung. „Weil ich diesmal nichts verpassen wollte, hatte ich mich entschieden, nicht mit der Mannschaft einzulaufen, sondern das Ganze von der Tribüne aus zu verfolgen“, sagt Faure. Nichtwissend, dass die Athleten diesmal zu Beginn der Veranstaltung ins Stadion einlaufen durften. Als sie davon erfuhr, war es schon zu spät. Den Ausgehanzug, der beim Einmarsch hätte getragen werden müssen, hatte sie bereits einer Teamkollegin in den Koffer gelegt, die schon früher wieder nach Deutschland heimgeflogen war. Den US-amerikanischen Soulsänger Lionel Richie, der final und von 300 Tänzern begleitet eine eigens arrangierte Neun-Minuten-Version von „All Night Long“ zum Besten gab, „hab’ ich leider nur aus der Ferne gesehen, während die anderen Sportler auf dem Rasen Party gemacht haben“, sagt Beate Faure.

Zur Person Beate Faure

Privates:
Beate Faure wurde am 8. April 1964 in Stuttgart geboren. Ihr damaliger Mädchenname: Bühler. Sie wuchs in Möhringen auf, wo sie am Königin-Charlotte-Gymnasium das Abitur machte. Es folgte eine Ausbildung zur Übersetzerin für Französisch. Ihren Ehemann Stéphane Faure, einen ehemaligen französischen Nationalspieler, lernte sie 1994 bei den Beach-Europameisterschaften kennen. 1996 zog sie zu ihm nach Frankreich, 1997 heiratete das Paar. 1998 kam Sohn Rémi auf die Welt, 1999 Théo. Letztgenannter tritt sportlich in die Fußstapfen der Eltern: Jüngst hatte er seinen ersten Volleyball-Nationalmannschaftslehrgang bei den Männern.

Beate Faure hat von 2006 bis 2014 beim Generalkonsulat Bordeaux im Rechts- und Konsularbereich gearbeitet. 2020 bekam sie für ihr soziales Engagement den Verdienstorden der Bundesrepublik.

Sportliches: Faure begann ihre Laufbahn 1978 beim tus Stuttgart und absolvierte 1981 ihr erstes Länderspiel. 1983 wechselte sie zum SV Lohhof, mit dem sie dreimal deutscher Meister wurde und dreimal den deutschen Pokal gewann. Mit Racing Paris (1987 bis 1991) holte sie vier französische Meistertitel. 1995 beendete sie als 341-fache Nationalspielerin beim USC Münster ihre Hallenkarriere – und startete im Sand durch. Ihre dortigen Erfolge: 1994 Europameisterin, 1995 deutsche Meisterin, 1996 Silber bei der EM sowie Platz sieben bei ihren zweiten Olympischen Spielen in Atlanta – alles zusammen mit Danja Müsch. Zweimal war Faure deutsche Beachvolleyballerin des Jahres. 1996 wurde sie vom europäischen Verband zur „Queen of the Beach“ gewählt. (sd)

Los Angeles 1984: die Retourkutsche und der „Albatros“

Die befürchtete Retourkutsche kommt elf Wochen vor Beginn der Spiele: Nach dem Moskau-Boykott 1980 unter Federführung der USA drehen die Ostblockmächte den Spieß. Diesmal heißt es von ihrer Seite: ohne uns. Dem sowjetischen „Njet“ schließen sich 18 „Bruderstaaten“ an, darunter zähneknirschend die DDR, die eigentlich für die große Goldtour gerüstet hatte. Die offizielle und freilich vorgeschobene Begründung aus dem Kreml lautet „aus Furcht um die Sicherheit der eigenen Athleten“ in Folge antikommunistischer Aktivitäten im Gastgeberland.

So fehlen erneut viele der Besten – wovon man sich in Amerika aber die Laune nicht verderben lässt. „LA 84“ wird zum gigantischen Spektakel, nicht zuletzt aus kommerzieller und medialer Sicht. Beim ersten rein privatwirtschaftlich finanzierten Olympia-Event sorgen 34 Großunternehmen wie Coca Cola und McDonald’s für die monetäre Basis. Die Übertragungsrechte sichert sich der US-Sender ABC für die Rekordsumme von 288 Millionen Dollar. Am Ende bleibt den Machern in der Kasse ein dickes Plus.

Zum Topstar avanciert Carl Lewis. Er wandelt in der Leichtathletik auf den Spuren eines Jesse Owens: Wie Owens anno 1936 in Berlin gewinnt Lewis in den Sprintdisziplinen und im Weitsprung viermal Gold. Im bundesdeutschen Team wiederholt Ulrike Meyfarth ihr eigenes Kunststück – wie zwölf Jahre zuvor siegt sie im Hochsprung. Ebenfalls herausragend: Schwimm- „Albatros“ Michael Groß mit vier Medaillen und zwei Weltrekorden. Im Zehnkampf unterliegt Jürgen Hingsen in einem epischen Duell dem Briten Daley Thompson. Platz eins im Medaillenspiegel, klar, geht haushoch an die USA. (frs)