Der Tapetenwechsel mit seinem Transfer im Winter innerhalb der Fußball-Bundesliga vom VfB Stuttgart zum 1. FC Köln ist Simon Terodde gut bekommen. Nach einem Treffer zum Einstand hat er beim 2:0-Sieg gegen den HSV gleich einen Doppelpack nachgelegt.

Sport: Gerhard Pfisterer (ggp)

Hamburg/Stuttgart - Es ist noch relativ neu in der Fußball-Bundesliga, doch es verbreitet sich mit rasanter Geschwindigkeit, obwohl es doch so schwer greifbar ist, weil es gerne mal hin- und herschwingt. Die Rede ist vom Momentum. Damit wird im neudeutschen Sprachgebrauch, leicht poetisch klingend, ein guter Lauf bezeichnet – also die Phase, wenn der Knoten geplatzt ist.

 

Bestes Beispiel: Simon Terodde.

Auf dem Börsenparkett ist das Momentum eine Analysegröße, die Aufschluss über Tempo und Kraft von Kursbewegungen sowie über Trendumkehrungen gibt. Und auf dem Fußballplatz ist das nicht viel anders. Bei Simon Terodde zeigt die Kurve seit seinem Wechsel in der Winterpause vom VfB Stuttgart zum 1. FC Köln steil nach oben. Der Schwung ist wieder da, die Wucht, er ist voll in Fahrt. Das Ganze entwickelt gerade eine erstaunliche Eigendynamik – das ist Momentum.

Ausgangspunkt war die fünfte Minute der Nachspielzeit am vorvergangenen Sonntag, als Simon Terodde nach einem ansonsten unauffälligen Debüt gegen Borussia Mönchengladbach stark per Kopf den 2:1-Siegtreffer erzielte.

Simon Terodde ist die Personifizierung des Kölner Aufschwungs

Es folgten zwei weitere Tore im Kellerduell am Samstag beim Hamburger SV. Er netzte nach einer Ecke aus kurzer Distanz zum 1:0 (27.) ein – er war in dieser Situation da, wo ein Stürmer eben steht, wenn es läuft. Und beim 2:0 (67.) traf er aus zwölf Meter Entfernung nach einem Bogenlampenpass – es war so ein Ball der Marke „Der wäre ihm in der Hinrunde noch versprungen“. Doch nicht jetzt. Jetzt ist Rückrunde. Jetzt ist Köln. Jetzt hat er das Momentum.

Der Torjägerpatient lebt – und der totgesagte Tabellenletzte lebt! „Der 1. FC Köln ist wieder da“, sangen die mitgereisten Fans. „Ganz Köln kann jetzt durchatmen. Wir haben den Anschluss geschafft, Köln lebt wieder“, sagte Simon Terodde.

Er ist die Personifizierung des Aufschwungs. Plötzlich ist er wieder ein gefragter Mann, der nach dem Spiel einen Interview-Marathon zurücklegen muss. So wie in den vergangenen beiden Spielzeiten, als er mit jeweils 25 Treffern im Trikot des VfL Bochum und des VfB Stuttgart der beste Torschütze der zweiten Liga war – und die Stuttgarter als herausragender Spieler der Saison zurück in die Bundesliga führte.

Für den 1. FC Köln zahlt sich die Verpflichtung des Torjägers schnell aus

Das Lächeln im Gesicht, das er gegen Ende seiner Stuttgarter Zeit verloren hatte, ist zurück. Er wirkt befreit – befreit von seinem Stigma. Denn den Stempel, nur ein Mann für die zweite Liga zu sein, hatte er in der Hinrunde (zwei Tore in 15 Spielen) ja nicht ablegen können. Er fand das Momentum nicht, war am Ende oft nur Ersatz.

Am zweiten Spieltag verschoss er beim Stuttgarter 1:0-Heimsieg gegen den FSV Mainz 05 einen Elfmeter. Es kam erst leise Kritik auf, das Zählen der torlosen Minuten setzte ein, die Zweifel an seiner Qualität verstärkten sich von Woche zu Woche – all das nagte an Simon Terodde. Der Anti-Lauf begann. Das positive Gefühl war weg, der Wunsch nach einem Tapetenwechsel kam auf. Für eine Ablösesumme von drei Millionen Euro wechselte er im Winter nach Köln – und startet nach einer halben Saison Anlauf in der Bundesliga durch. Mit drei Toren in zwei Spielen hat er den FC erweckt, der Tabellenletzte hat im Kampf gegen den Abstieg wieder Hoffnung.

„Er ist ein unglaublich energischer Spieler und versucht zu beweisen, dass er das kann. Das wurde ja oft in Frage gestellt. Er beweist gerade eindrucksvoll, dass er ein Erstligaspieler ist“, sagte der Kölner Torwart Timo Horn. Nach dem Abgang von Anthony Modeste im Sommer ist jetzt wieder einer da, der zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort steht und die Bälle über die Linie drückt. Aber Vorsicht: der Trend kann sich auch schnell wieder umkehren. Es ist eben tückisch, dieses Momentum.