Der Umstieg auf die E-Mobilität kostet Arbeitsplätze – auch in Ludwigsburg. Ende nächsten Jahres sollen die Lichter in der Produktion von Borg Warner in der Weststadt ausgehen. Die Belegschaft setzt auf Kampf, aber auch auf Verhandlungen.

Eine Woche ist es her, dass die Belegschaft des Automobilzulieferers Borg Warner Beru Systems, den meisten Ludwigsburgern noch als Beru bekannt, kalt erwischt wurde. In einer Mitarbeiterversammlung erfuhren sie, dass die Produktion Ende 2024 eingestellt werden soll.

 

Davon wären laut Marketing-Manager George Cesar „Stand heute 266 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betroffen“. Der Betriebsrat geht dagegen von 350 aus. So viele, sagt dessen Vorsitzender Sven Ehrenberg, arbeiteten für die Ludwigsburg GmbH. Unter diesem Namen firmiert die Produktion. Wer für die ebenfalls in Ludwigsburg ansässige Stuttgart GmbH in der Verwaltung arbeitet, sei nicht von den Schließungsplänen betroffen – zumindest vorerst nicht. Denn: „Was soll eine Verwaltung hier, wenn es keine Produktion mehr gibt?“, fragt Ehrenberg. André Kaufmann, Gewerkschaftssekretär bei der IG Metall Ludwigsburg, warnte die Verwaltungsmitarbeiter bei einer ersten Protestkundgebung am Dienstag, zu der mehr als 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gekommen waren: „Diejenigen, die den Kampf nicht teilen, werden die Niederlage teilen.“

Auch der Betriebsrat wurde vorab nicht informiert

Abgesehen von der Hiobsbotschaft, die alle erschüttert hat, stieß auch die Art und Weise der Bekanntmachung sauer auf. Denn die Einladung zu der Mitarbeiterversammlung war erst am Abend zuvor verschickt worden. Weder der Betriebsrat noch der Wirtschaftsausschuss waren vorher über die Pläne informiert worden. Auch der Konzernbetriebsrat war ahnungslos. Von Respektlosigkeit sprach deshalb am Dienstag André Kaufmann, und Sven Ehrenberg erklärte, er wolle als Betriebsrat nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden, sondern schon an den Planungen beteiligt sein.

Dass es um „etwas Großes“ gehen würde, sei den meisten nach Erhalt der Einladung klar gewesen, so Ehrenberg. Allerdings hätten sie eher mit einem Verkauf des Werkes gerechnet, in dem Glühkerzen für Dieselmotoren, aber auch sogenannte Hochvoltwasserzuheizer für E-Autos gefertigt werden. Immerhin hätten die Mitarbeiter in den vergangenen Jahren im Interesse des Unternehmens größtmögliche Flexibilität bei den Arbeitszeiten gezeigt. „Euch trifft keine Schuld“, rief Ehrenberg seinen Kolleginnen und Kollegen zu. „Die da oben wollen uns nicht mehr hier haben!“ Immerhin, davon ist er seit einem Gespräch mit dem Arbeitgeber überzeugt: „Man will wirklich an einer Lösung mit uns arbeiten.“

Markt für Diesel-Fahrzeuge stärker als erwartet eingebrochen

Im Jahr 2018 waren bereits 135 Arbeitsplätze in Ludwigsburg abgebaut worden, 2020 hatte das Unternehmen eine Strategie vorgestellt, mit der man wieder profitabel werden und den Standort langfristig sichern wollte. Dafür wollte man auf zukunftsfähige Produkte setzen, die für die Hybrid- und Elektromobilität gebraucht werden.

Warum dann jetzt diese Entscheidung? George Cesar erklärte, das neue Produkt Zuheizer sei „nicht umsatzstark“. Hinzu komme, dass der Anteil an Diesel-Fahrzeugen viel stärker als vorhersehbar zurückgegangen sei. Details zu Fertigungszahlen wollte er aber keine nennen. Aus Mitarbeiterkreisen war unter der Hand zudem zu hören, die Qualität stimme nicht – was kein Wunder sei, wenn Teile in der ganzen Welt zusammengekauft und dann in Ludwigsburg final zusammengebaut würden.

Man hätte mehr Zuheizer fertigen können

Auch Sven Ehrenberg ist klar, dass Produkte wie Glühkerzen keine Zukunft mehr haben und dass deshalb die Zahl der Arbeitsplätze sinkt. „Man muss realistisch sein. Ein Produkt, das nicht mehr gebraucht wird, kann man nicht 1:1 durch ein anderes ersetzen.“ Doch er kritisiert zwei Punkte. Zum einen, sagt er, hätte dann auch die Absicht, die Produktion zu verlagern, keinen Sinn. Zum anderen, sagt er, sei vereinbart worden, dass der komplette Bedarf an Zuheizern für BMW Europa in Ludwigsburg angefertigt werden solle. Das ganze Volumen sei aber nie abgefordert worden. Dazu wollte sich Cesar nicht äußern. Dass die Fertigung verlagert werden soll, bestätigt er zwar, dass es nach Portugal gehen soll, wie Ehrenberg sagt, stehe aber noch nicht fest.

Der Personalrat wünscht sich bei den nun anstehenden Verhandlungen für alle in der Belegschaft die bestmögliche Lösung. Eine Möglichkeit, Druck auszuüben, sieht die IG  Metall darin, dass das Unternehmen noch fast zwei Jahre lang auf das Engagement seiner Mitarbeiter angewiesen sei. Und sollte eine Schließung – die, so wird gemutmaßt, in den USA und nicht in Ludwigsburg beschlossen wurde – doch nicht verhindert werden können, dann möchte man sich zumindest für anständige Abfindungen einsetzen.

Solidarität aus anderen Firmen

Vertreter etlicher anderer Unternehmen zeigten sich solidarisch: aus Ludwigsburg waren Mitarbeiter von Roche, Mann und Hummel sowie Gleason-Pfauter bei der Auftakt-Protestveranstaltung anwesend, aus Kornwestheim waren Mitarbeiter von Mahle sowie von Benseler und aus Vaihingen an der Enz von Hidria-Bausch zu sehen.

Beru – ein Ludwigsburger Traditionsunternehmen im US-Besitz

Die Anfänge
 Beru wurde 1912 von Julius Friedrich Behr und Albert Ruprecht gegründet. Gefertigt wurden unter anderem Zündkerzen, Kühler, Schlauchbinder und Kompressionsventile. 1929 wurde die erste Glühkerze für den Dieselkaltstart entwickelt, weitere Patente in diesem Bereich folgten. Zu Spitzenzeiten sollen bei Beru rund 1200 Mitarbeiter beschäftigt gewesen sein.

Borg Warner
 Der US-amerikanische Automobilzulieferer übernahm 2005 die Mehrheit der Anteile der damaligen Beru-AG, vier Jahre später dann 100 Prozent des Kapitals. Die Umbenennung von Beru in Borg Warner Beru Systems GmbH folgte.

Schließungen
Im Jahr 2013 schloss Borg Warner seine Niederlassung in Ketsch, 2018 in Oberboihingen.