In einer nächtlichen Aktion haben linksgerichtete Aktivisten ein Schild aufgestellt, das an die in Welzheim ermordeten NS-Opfer erinnern soll. Warum die Stadt das Schild wieder abgebaut hat, lesen Sie hier.

Rems-Murr: Phillip Weingand (wei)

Welzheim - In der Nacht auf den 9. November ist am Rand der Landesstraße zwischen Welzheim und Rudersberg ein Schild aufgestellt worden, das auf den im Volksmund als Henkersteinbruch bekannten Platz hinweist. Nicht weit von der Straße wurden dort zur Zeit des Nationalsozialismus Menschen ermordet. „Gedenkstätte für die Opfer des ehemaligen KZ Welzheim – Nie wieder Faschismus!“, war in weißen Lettern auf braunem Grund zu lesen.

 

Die Wortwahl lässt auf Antifa-Anhänger schließen

Wer genau hinter der Aktion steckt, ist unklar. Unsere Redaktion hat eine Pressemitteilung einer nicht näher benannten Gruppe erhalten, die sich zu der Aktion bekennt. Die Wortwahl der Erklärung lässt aber auf eine Nähe zur Antifaschisten Aktion (Antifa) schließen. So ist die Mitteilung mit dem Satz „Für eine antifaschistische Gedenkkultur – Erinnern heißt kämpfen!“ unterschrieben. Das Aufstellen des Schildes solle „antifaschistische Erinnerungskultur praktisch werden lassen“.

Zwar erinnert auch die Stadt Welzheim seit einiger Zeit mit roten Stelen an dem Steinbruch an die NS-Opfer, für die Urheber der Guerilla-Aktion ist dieses Mahnmal aber offenbar nicht sichtbar genug. „Wie viele Autofahrer:innen können die nur sekundenlang zu sehenden roten Stelen im Welzheimer Wald als das identifizieren, was sie darstellen?“, heißt es in der Mitteilung. Kaum aufgebaut, wurde das ohne Genehmigung aufgebaute Schild von der Stadt jedoch rasch wieder entfernt.„Es befindet sich jetzt bei uns auf dem Bauhof“, bestätigt Uwe Lehar, der Pressesprecher der Stadt. Der Beschluss sei nicht nur von der Stadt, sondern auch vom Regierungspräsidium Stuttgart und dem Landratsamt, die an den Landesstraßen zuständig seien, getragen. „Das Schild hätte mindestens 20 Meter von der Straße entfernt stehen müssen, das tat es jedoch nicht“, so Lehar. Auf der Landesstraße werde schnell gefahren, daher gehe es schlussendlich um die Verkehrssicherheit. An dem Steinbruch selbst gebe es keinen Parkplatz. Wenn Autos dort wegen eines Schilds auf offener Strecke anhielten oder abbremsten, könne das zu Unfällen führen.

Stadtverwaltung: Das Schild hätte zu Unfällen führen können

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Die Kritik, dass Welzheim die Erinnerung an die Ermordeten quasi im Wald verstecke, will Lehar nicht gelten lassen. In der Stadt herrsche sehr wohl eine Erinnerungskultur. So gebe es einen ausgeschilderten Wanderweg zu dem Steinbruch und eine Broschüre, die auf dieses Kapitel der Vergangenheit aufmerksam mache. „Auch die Gedenkstätte auf dem Friedhof ist erst vor wenigen Jahren neu gestaltet worden.“ Der Platz vor dem ehemaligen KZ sei zudem 2020 nach Hermann Schlotterbeck, einem der ermordeten Insassen, benannt worden.

Lange Jahre hatte man sich Welzheim aber schwer getan, offen mit der Geschichte des Gestapo-Lagers umzugehen. Vor allem der Rudersberger Lehrer Gerd Keller, der sich intensiv mit dem Lager und seiner Geschichte beschäftigte, trug über viele Jahre hinweg Fakten zu dem KZ zusammen, die dann im städtischen Museum ausgestellt wurden.

In Welzheim betrieb die Gestapo ein „Schutzhaftlager“

Die Gestapo hatte das Gebäude im Jahr 1935 übernommen und zu einem sogenannten Schutzhaftlager gemacht. Für viele der insgesamt bis zu 15 000 Häftlinge, die bis Kriegsende dort gefangen gehalten wurden, war das Lager ein Übergang, bevor sie in Konzentrationslager, etwa nach Dachau oder nach Buchenwald, gebracht wurden.

Die Häftlinge mussten Zwangsarbeit leisten; in Welzheim selbst wurden auch mindestens 65 Todesurteile wegen Delikten wie Spionage, Diebstahl, Fluchtversuch und „Rassenschande“ vollstreckt. Die Opfer fanden den Tod durch Erschießen oder Erhängen – nicht im Lager selbst, das zentral in Welzheim lag, sondern in dem besagten Steinbruch, der an der Straße nach Rudersberg im Wald liegt.