Trotz Einnahmen von 25 Millionen Euro ist der Bürgermeister Claus Unger nicht euphorisch. Er warnt vor dem nächsten Steuereinbruch, wie ihn die Gemeinde im Jahr 2017 erlebte. Das Rathaus soll trotzdem erweitert werden.

Ehningen - Auch zu Silvester hat Claus Unger die Sektkorken nicht übermäßig knallen lassen – dabei hätte er allen Grund dazu gehabt. Denn vor kurzem wurde bekannt, dass in die Gemeindekasse nicht, wie angenommen, zehn Millionen Euro Gewerbesteuer fließen, sondern unerwarteterweise 15 Millionen Euro mehr. Weshalb das so ist? „Da müssen Sie die Firma IBM fragen“, erklärt der Rathauschef unverblümt, Steuergeheimnis hin oder her. Aber klar ist: Der Wachstumskurs des mit der Deutschlandzentrale in Ehningen angesiedelten Computerkonzerns dauerte zuletzt weiter an, die Umsätze und Gewinne stiegen. Unger versetzt das jedoch nicht in Euphorie – er verweist vielmehr auf eine mögliche Achterbahnfahrt bei den Gewerbesteuereinnahmen. Gleichwohl freut er sich nun auch über neue Investitionsmöglichkeiten.

 

Schultes: Es kann extrem rauf und runter gehen

„Von der Stadt Sindelfingen mit der Firma Daimler wissen wir, dass es extrem rauf und runter gehen kann“, warnt der Rathauschef. Im Jahr 2017 hatte die Gemeinde das selbst erlebt, als statt den veranschlagten neun Millionen Euro die Einnahmen lediglich 1,2 Millionen Euro betrugen. Fünf Millionen Euro Gewerbesteuer musste die Kommune sogar zurückzahlen. Der Landrat Roland Bernhard bat Unger zum Gespräch und forderte ihn auf, die Ausgaben an die Einnahmen anzupassen, um einen ordentlichen Haushalt hinzubekommen. Elf Millionen Euro für die neue Gemeinschaftsschule, zwölf Millionen Euro für eine neue Ortsumfahrung – der Etat war in jenem Jahr deutlich überstrapaziert und nur mit Mühe verabschiedet worden.

Als die Gewerbesteuer noch sprudelte, investierte die Gemeinde 6,5 Millionen Euro in eine weitere Sporthalle und leistete sich eine neue Stadtbibliothek für 2,2 Millionen Euro. Überdies verfügt Ehningen über ein Hallenbad, das jährlich ein Minus von einer halben Million Euro verursacht. Zusammen mit den neuen Klassenzimmern und einer Mensa für die Gemeinschaftsschule sowie für den Bau der Bühlallee – an der die Firma IBM residiert – und inklusive der Umgehungsstraße gab die Gemeinde binnen weniger Jahre insgesamt stolze 23 Millionen Euro aus.

70 Prozent der Einnahme gehen als Umlage weg

Unger und dessen Kämmerei wollen nun mit mehr Augenmaß vorgehen und möglichst lange etwas von dem Gewerbesteuersegen haben. „Außerdem werden 70 Prozent davon als Umlage an den Landkreis fällig“, sagt Unger. Unter dem Strich bleibt aber immer noch ein erklecklicher Betrag. Das geplante neue Kinderhaus für vier Millionen Euro kann getrost in Angriff genommen werden. Es wird notwendig, weil die Gemeinde seit Ungers Amtsantritt im Jahr 2004 gewachsen ist: von 7400 Einwohnern auf nunmehr fast 9300. Viele junge Familien mit Kindern sind nach Ehningen gezogen, auch weil sich im Jahr 2009 die Firma IBM mit ihrem deutschen Hauptsitz dort ansiedelte. Der Bedarf an Kinderbetreuung ist so groß geworden, dass neben dem Kinderhaus für rund hundert Kinder noch ein weiterer Kindergarten gebaut werden soll.

In die Gemeinschaftsschule gehen inzwischen 630 Schüler – so viele wie nie. In diesem Jahr werden erstmals welche mit der Mittleren Reife abschließen. Aber auch der alte Teil der Schule wird Kosten verursachen. Schritt für Schritt soll er für acht bis zehn Millionen Euro saniert werden. In diesem Jahr fallen erst einmal nur die Planungskosten von 100 000 Euro an.

Rettungszentrum für sechs plus x Millionen Euro

Teuer könnte das neue Rettungszentrum für die Feuerwehr, das Deutsche Rote Kreuz und die Johanniter-Hilfe werden. Ein Raumkonzept soll jetzt erarbeitet werden. „Wir rechnen mit sechs plus x Millionen Euro“, sagt Unger. Auch dieser Aufwand wird erst in den nächsten Jahren geschultert werden müssen. Die Gemeinde tut in dem Millionenspiel also gut daran, etwas Geld auf die Seite zu legen: Rund acht Millionen Euro sind im Sparstrumpf. Allerdings muss Ehningen bis Ende 2019 wohl einen Schuldenberg von 7,7 Millionen Euro bewältigen und Zins und Tilgungen leisten. Kein Wunder, dass in der Rathausverwaltung niemand übermütig wird.

Apropos: Neben dem Rettungszentrum ist auch das Rathaus zu klein geworden. Rund 50 Mitarbeiter sind derzeit in dem Gebäude tätig, mehr als früher, weil die Aufgaben wachsen. Manche haben ihre Büros im Keller, das Bürgerbüro und das Trauungszimmer sind nicht barrierefrei.

Bald fast so viele Arbeitsplätze wie Einwohner

„Das muss sich ändern“, sagt Unger, „wir müssen nach Erweiterungsmöglichkeiten suchen.“ Zumal weitere Mitarbeiter benötig werden. Weil das Gebäude selbst nicht erweitert werden kann, fasst Unger zwei nahe gelegene Immobilien ins Auge, in denen die Verwaltungsangestellten unterkommen könnten. Ehningen freilich hat auch sonst Wachstumsperspektiven.

Dort gibt es bald fast so viele Arbeitsplätze wie Einwohner. Das IBM-Forschungslabor, derzeit noch in Böblingen ansässig, wird sich neben der Deutschlandzentrale ansiedeln. Baubeginn soll in diesem Herbst sein. Im Jahr 2021 erwartet IBM dann rund 1500 weitere Mitarbeiter und wird dann an diesem Standort wohl 5500 Menschen beschäftigen. Inklusive der anderen Firmen in Ehingen kommt die Gemeinde künftig auf rund 8000 Arbeitsplätze. Ein gutes Omen also für weiterhin beträchtliche Gewerbesteuereinnahmen – wenn die Konjunktur mitmacht.

Die Spitzenreiter bei den Gewerbesteuereinnahmen

Vierter Platz:
Die Gemeinde Ehningen liegt mit ihren Gewerbesteuereinnahmen an vierter Stelle im Kreis. Den 25 Millionen Euro 2018 folgen laut ihrem Plan in diesem Jahr neun Millionen Euro. In den Jahren zuvor hatte sie ebenfalls aus Vorsicht stets mit acht bis zehn Millionen Euro kalkuliert. Ehningen ist unter dem Strich zwar schuldenfrei. Bei rund acht Millionen Euro Rücklagen Ende dieses Jahres schlagen 7,7 Millionen Euro Schulden zu Buche. Doch soll das Geld im Sparstrumpf für Investitionen genutzt werden. Die Pro-Kopf-Verschuldung beträgt mit den Eigenbetrieben Ende des Jahres 1612 Euro.

Landkreis:
  Der Krösus bei den durchschnittlichen Gewerbesteuereinnahmen der vergangenen Jahre im Kreis ist Sindelfingen. Im vorigen Jahr beliefen sich die Einnahmen auf 140 Millionen Euro. Eine enthaltene Nachzahlung an die Daimler-Stadt brachte 15 Millionen Euro mehr als erwartet. Auf dem zweiten Platz landet Böblingen mit den Firmen wie Hewlett & Packard und Philips. Im Jahr 2018 flossen 106 Millionen Euro, in diesem Jahr rechnet die Stadt mit 95 Millionen Euro. Auf dem dritten Platz rangierte bisher Weissach mit dem Porsche-Entwicklungszentrum am Ort. Im Rekordjahr 2009 wurden 222,5 Millionen Euro eingenommen, im Jahr 2005 waren es 71 Millionen Euro. Zuletzt flossen nur noch 3,5 bis fünf Millionen Euro – weil durch die Integration von Porsche in den VW-Konzern neue Berechnungsgrundlagen gelten.