Beim ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienst „Sternentraum“ engagieren sich 28 Ehrenamtliche in der persönlichen Betreuung und in Trauergruppen. Silke Müller aus Auenwald ist eine von ihnen.

Rems-Murr-Kreis - Das Ehrenamt hat so viele Gesichter und Facetten wie unser Leben. Jedes Jahr am 5. Dezember wird der Internationale „Tag des Ehrenamtes“ begangen. Diesen gibt es bereits seit 1986, in Deutschland engagieren sich rund 31 Millionen Menschen freiwillig und schenken anderen ihre Zeit. Silke Müller aus Auenwald gehört dazu. Sie bringt sich ehrenamtlich beim ambulanten Kinder- und Hospizdienst „Sternentraum“ im Rems-Murr-Kreis ein – seit 2011.

 

Die Mutter hat einen Lungentumor und bekommt Chemotherapie

Es war im September, so erinnert sie sich, als sie bei „Sternentraum“ den vorbereitenden Kurs begann und sich schulen ließ für die Aufgabe. Sie begleitet einmal in der Woche – bis zu vier Stunden lang – ein Kind oder einen Jugendlichen. Aktuell ist es ein 14-jähriges Mädchen, dessen Mutter einen Lungentumor hat, zu Hause ist und Chemotherapie bekommt.

„In Corona-Zeiten sieht die Begleitung anders aus als sonst“, erzählt Silke Müller. Das Mädchen ist mittlerweile die vierte Person, die sie für Sternentraum begleitet. „Wir kommunizieren momentan viel über Whatsapp“, sagt Silke Müller. Es wurde aber auch schon gemeinsam gebacken, „eine Quiche, die mag die Mutter so gerne“. Silke Müller versucht, das Mädchen, das zudem in der Pubertät steckt, mitzunehmen in eine andere Welt.

Am liebsten tut sie das, indem sie künstlerische Angebote macht, Material mitbringt und dann kreativ mit den Händen arbeitet. „Das sind meine Stärken, das mache ich selbst gerne“, beschreibt die 51-Jährige ihre Begabung, die sie ins Ehrenamt einbringt. Silke Müller liebt Kunst – vor allem das Bildhauern – und die Natur. Damit versucht sie „kleine Oasen“ für die Kinder zu schaffen, ihnen „Bälle zuzuwerfen“, bildlich gesprochen, „zu abstrahieren und völlig wertfrei auf die Kinder und ihre Familien zuzugehen“. Man sei „Seelendoktor“ und „wärmendes Licht“. Kinder, die an einer lebensverkürzenden Krankheit leiden, hat sie noch nicht begleitet.

Silke Müller hat selbst zwei Töchter, 18 und 21 Jahre alt. Ihr Mann ist in der Logistik tätig, sie selbst ist gelernte Mode-Designerin und verkauft in einem Mode-Geschäft in der Calwer Straße in Stuttgart „anspruchsvolle Bekleidung.“ Als ihr Vater 2008 zum Pflegefall wurde und ihre Mutter ihn über ein Jahr zu Hause gepflegt hat, wurde ihr bewusst „was ein Mensch leisten kann“. Das hat viel in ihr ausgelöst, auch weil sie in der Zeit mit Yoga begonnen hat, „Feinstofflichkeit und eine eigene Innenschau“ gingen damit einher. Als sie dann in einer Anzeige las, dass die Kinder- und Jugendhospizhilfe Sternentraum einen Kurs startet und Ehrenamtliche als Begleiter schult, erkundigte sie sich. Kirsten Allgayer, Koordinatorin bei Sternentraum, und Silke Müller erfuhren dann in Informationsgesprächen mehr voneinander. „Man möchte es einfach tun“, beschreibt Silke Müller ihr Gefühl danach, das sie bis heute nicht verlassen hat.

Tod und Abschiednehmen sind in de Familie keine Tabuthemen mehr

„In rund 100 Unterrichtseinheiten lernt man viel“, beschreibt sie die Zeit zwischen September 2011 und Januar 2012, so lange hat die Ausbildung mit Abschluss gedauert. Man setze sich mit der eigenen Sterblichkeit auseinander, mit dem Abschiednehmen und mit dem Leben. „Man hört in sich hinein, und man passt auf sich auf“, sagt Silke Müller. Ihre Töchter finden das, was die Mutter tut, gut. Ihr Mann habe sich verändert, in der Familie seien Tod und Abschiednehmen keine Tabu-Themen mehr.

Natürlich spreche sie zu Hause über Erfahrungen und Erlebnisse aus der Betreuung, sagt Silke Müller, wobei sie dabei nicht ins Detail gehe. Die „Kinder“, die sie begleitet – jeweils immer eines – werden ihr zugewiesen. Kirsten Allgayer sucht sie aus, wägt genau ab. Dennoch kann es sein, dass man keinen Draht zueinander findet und die Begleitung nicht funktioniert. Das hat auch Silke Müller schon erlebt.

Der türkische Junge, der seinen Bruder durch einen Gehirntumor verloren hat, gehört nicht dazu. „Die beiden haben in einem Zimmer gelebt, ein Jahr nach dem Tod war dort noch alles unverändert“, beschreibt Silke Müller, wie schwer manchmal das Loslassen sein kann. In dem Fall auch aufgrund der Blutsbrüderschaft. Ganz sensibel ist sie vorgegangen, hat den zurückgebliebenen Bruder in seinen Hobbys be- und gestärkt, versucht, ihn im Alltag zu festigen. Dabei hat sie auch selbst gelernt, loszulassen und sich in andere Kulturen hineinzudenken, in denen etwa durch die Religion, die Trauer einen ganz anderen Stellenwert hat. Das erlebte sie auch bei afrikanischen Geschwisterkindern, beide im Grundschulalter. Ihr Papa war verstorben. Er war Deutscher, die Mutter Afrikanerin.

Nach der Begleitung reißt der Kontakt meist ab

Wenn Silke Müller eine Begleitung abgeschlossen hat, legt sie gerne eine Pause ein. „Man spürt, wenn eine Betreuung abgeschlossen ist“, sagt sie. Danach reißt der Kontakt meistens ab. Silke Müller ist das recht. Beim Ehrenamt will sie auf jeden Fall bleiben. Es komme viel zurück. Eine Bekannte von Silke Müller hat sich aufgrund des Engagements der 51-Jährigen aus Auenwald mittlerweile auch zur Begleiterin ausbilden lassen. Beim Ehrenamt geht es nicht ums Geld, sondern darum, Zeit für andere zu haben.