Wenn man mit Flüchtlingen spricht, lernt man viel darüber, wie es ist, sich in einem anderen gesellschaftlichen Umfeld zurechtzufinden. Sie haben ja einige Zeit in den USA gelebt. Wie war es für Sie, sich dort zurechtzufinden?
Ich habe mich freiwillig entschieden, nach New York zu gehen. Das war ein fundamentaler Unterschied im Vergleich zur Situation der Flüchtlinge. Allerdings war für mich der Umzug auch mit Umstellungen verbunden. Man denkt gemeinhin, dass die USA ein Land mit einer westlich geprägten Kultur sind. Das stimmt auch. Trotzdem musste ich in vielerlei Hinsicht bei Null anfangen, weil vieles dort ganz anders ist. Das erste Jahr war eine intensive Zeit mit einer hohen Lernkurve. Zumal ich bis dahin fast immer im Landkreis Esslingen gelebt hatte. Insofern kann ich das „Fremdsein“ in Ansätzen nachempfinden. Aber ich war freiwillig wegen einer beruflichen Perspektive in die USA gegangen. Ich war nicht in einer auch nur vergleichbaren Notlage wie die Menschen, die nun auf der Flucht sind und zu uns kommen.
Können Sie ein Beispiel nennen, was in den USA anders war, als hier in Deutschland?
Da gibt es ganz viele, auch profane Beispiele. Das betrifft etwa die Abläufe in einer öffentlichen Verwaltung. Wenn ich hier umziehe, muss ich zum Einwohnermeldeamt gehen und mich ab- und anmelden. Das gibt es in den USA nicht. Man zieht dort von A nach B und das interessiert niemanden – überspitzt formuliert. Außerdem wird der deutsche Führerschein dort nicht auf Dauer akzeptiert. Das bedeutet, dass man einen anderen Führerschein machen und andere Verkehrsregeln lernen muss. Das sind Dinge, die man im ersten Moment nicht erkennt und für wichtig hält. Aber wenn man dort ist, merkt man, dass alles anders funktioniert. Darum war ich zunächst verunsichert. Es brauchte eine gewisse Zeit, bis ich wieder das Gefühl von Sicherheit und Stabilität hatte.