Gudrun Rohde ist eine Stuttgarterin des Jahres. Sie setzt sich seit Jahren für den Bau eines Ausbildungszentrums im afrikanischen Nigeria ein.

Lokales: Sybille Neth (sne)

Stuttgart - Ein ganzes Ausbildungszentrum auf einer Papierserviette. Manche Menschen nutzen die Zeit auf einem Langstreckenflug von Stuttgart nach Lagos produktiv, und Julius Ekwueme, der Pfarrer aus Oppenweiler, entfachte mit seiner Skizze die Fantasie bei seiner Begleiterin Gudrun Rohde. Das war 2013. Sie war zum zweiten Mal mit dem Pfarrer auf dem Weg in dessen Heimat Nigeria. 2011 hatten sie sich kennengelernt, als Ekwueme Vikar in Dürrlewang und regelmäßig bei den Rohdes zu Gast war. „Jetzt spricht er nicht nur Deutsch, sondern auch Schwäbisch“, scherzt sie.

 

Diese Bekanntschaft änderte einiges im Leben des frischgebackenen Rentnerehepaars Rohde. Sie begannen Geld- und Sachspenden zu sammeln, nicht mehr benötigtes medizinisches Gerät aus Arztpraxen und dem Marienhospital nach Afrika zu schicken, für mittellose Kinder Schulpatenschaften mit Stuttgartern zu organisieren. Gerade mit 60 in den Ruhestand gegangen, gründete Gudrun Rohde sofort nach ihrem ersten Besuch im Heimatdorf von Julius Ekwueme – in Amanaogu – den gleichnamigen Hilfsverein. Für die Transporte kauften die Rohdes – wann immer genug zusammengekommen war – jeweils einen Sprinter. „Der wird dann von unten bis oben vollgestopft“, schildert sie, und dann geht die Reise los. Nach Amsterdam und dann mit dem Schiff nach Lagos. Der Transporter hat dann schon einen afrikanischen Eigentümer, der die 800 Kilometer ins Dorf fährt und die Kosten für Zoll und Sprit bezahlt.

Niemand hat sich in Amanaogu um die Waisenkinder gekümmert

Zusammen mit einem befreundeten Arzt organisiert der Verein einmal im Monat eine offene Sprechstunde im Dorf und eine Art Vesperkirche für die Kinder, unter denen viele Waisen sind. „Um die kümmert sich niemand.“ Das hat Gudrun Rohde schon bei ihrem ersten Besuch im Dorf am meisten schockiert. Für ihr Engagement ist sie von der Jury zur Stuttgarterin des Jahres 2019 gekürt worden.

Doch diese Art, vor Ort zu helfen, wird immer kostspieliger, so dass die Rohdes ordentlich draufzahlen müssen. Auch ihre Flüge – jeder kostet 1000 Euro – bezahlten sie aus eigener Tasche. Gudrun Rohdes Mann reist aus gesundheitlichen und aus Kostengründen nicht mehr mit.

Gudrun Rohde war gleich Feuer und Flamme, als der Pfarrer ihr seine Idee auf einer Serviette präsentierte. „Bildung ist das beste Mittel gegen Armut“, das weiß Gudrun Rohde. Und so wurde mit tatkräftiger Unterstützung von Helfern und Fachleuten vor Ort aus der Skizze Realität.

Das Ausbildungszentrum für Handwerksberufe wie Schreiner, Kfz-Mechaniker, Gärtner für junge Menschen, die sonst keine Chance hätten, könnte Ende dieses Jahres fertig sein. „Wenn wir das Geld hätten“, sagt die jetzt 71-Jährige nüchtern. Neben den Ausbildungsstätten gibt es noch weitere Gebäude auf dem Gelände: ein Waisenhaus, eine Nähstube, in der sich die mittellosen Witwen ihren Lebensunterhalt verdienen können, sowie ein Gästehaus – und: eine kleine katholische Kapelle. „Ich habe mich nie für Afrika interessiert“, sagt Rohde. „Wir haben unseren Urlaub immer in Österreich verbracht.“ Viele Erinnerungen aus dem alpinen Nachbarland schmücken die Wohnung der Rohdes. Afrika ist nur sehr sparsam im Wohnzimmer durch ein paar Bilder vertreten.

Bis heute hat Gudrun Rohde mehr als 400 Schulpatenschaften für Kinder in dem nigerianischen Dorf organisiert. So wie für den jetzt 14-jährigen Ugonna, den die Rohdes seit sechs Jahren unterstützen. Mit 50 Euro pro Jahr können einem Kind der Schulbesuch und eine Mahlzeit pro Tag finanziert werden. Hinzu kommt eine einmalige Spende von 70 Euro für eine Matratze.

Strahlende Kinderaugen geben der weißen Oma immer wieder Elan

Die strahlenden Kinder, für die sie die weiße Oma ist, geben Gudrun Rohde den Elan, bei dem Großprojekt durchzuhalten. Auch wenn es zum Jahreswechsel eine herbe Enttäuschung gab. Beim Entwicklungsministerium hatte sie einen Antrag auf Fördergelder gestellt. Ihr Projekt hatte sie damit begründet, dass dieses jungen Menschen eine Perspektive gibt und sie von der Flucht nach Europa abhält. Ihr Antrag wurde abgelehnt. Die Begründung: Das Ausbildungszentrum sei zu groß.

Gudrun Rohde sammelt neben den Benefizveranstaltungen weiter Spenden, damit der Bau abgeschlossen werden kann und weitere Hilfsgüter geliefert werden können. Wer helfen will, kann dies unter Amanaogu e. V. Stuttgart, Kontonummer:

IBAN: DE94 6005 0101 0008 6184 63