Nach dem Krieg waren mehr als 8000 Flüchtlinge aus Lettland in der Esslinger Pliensauvorstadt untergekommen. Vom Exil aus hat Teodors Grünbergs die evangelische Kirche des Landes gegründet. Jetzt ist das Grab des Kirchenführers auf dem Pliensaufriedhof zum Ehrengrab erklärt worden.

Esslingen - Das Gedenken an Teodors Grünbergs wird ewig sein. Das Grab des im Jahr 1962 im Alter von 92 Jahren in Esslingen gestorbenen Erzbischofs der Evangelisch-Lutherischen Kirche Lettlands ist als Ehrengrab anerkannt worden. Als solches bleibt es auf dem Pliensaufriedhof auf Dauer unantastbar. In einem Festakt, an dem am Freitag neben dem Landesbischof der Württembergischen Kirche, Frank Otfrid July auch die Botschafterin der Republik Lettland, Inga Skujina, teilgenommen hat, ist die Anerkennung feierlich bestätigt worden. Der Gedenkfeier am Grab des Kirchenführers, bei der das lettische Vaterunser gebetet wurde, haben sich eine geistliche Feierstunde in der Südkirche und ein Empfang angeschlossen.

 

Die enge Verbindung zwischen dem lettischen Volk und der Stadt Esslingen reicht bis in die Zeit kurz nach dem Zweiten Weltkrieg zurück. Von den rund 200 000 vor der stalinistischen Gewaltherrschaft nach Deutschland geflohenen Letten strandeten mehr als 8000 in Esslingen. Sie wurden in der Pliensauvorstadt untergebracht und machten die Stadt nicht nur zum damals größten Sammelbecken für Letten in Deutschland, sondern auch zu einem der bedeutendsten Zentren lettischer Kultur im Exil.

In Esslingen gründete Grünbergs, der bis zum Einmarsch der Roten Armee und während der deutschen Besetzung Lettlands Theologie an der Universität Riga lehrte, die lettische Exilkirche und leitete sie von der Esslinger Südkirche aus bis zum Jahr 1962 – und das nicht nur im religiösen Sinn, sondern auch als Klammer von Kirche und Volk. „Grünbergs wurde, über die lettische evangelische Kirche hinaus, zur Symbolfigur für seine in alle Winde zerstreuten lettischen Landsleute“, sagt der Esslinger Stadtarchivar, Joachim Halbekann. Deshalb habe die Neckarstadt für die Letten in aller Welt nach wie vor eine herausragende Bedeutung. Dagegen war für Esslingen der Aufenthalt der Letten in der Stadt nur eine konfliktbeladene Fußnote der Geschichte. Als absehbar war, dass die Rückkehr in die Heimat den Tod bedeuten würde, zerstreuten sich die Esslinger Letten in die ganze westliche Welt.

Wie sehr die Stadt als zentrale Anlaufstelle nach dem Krieg allerdings noch im kollektiven lettischen Bewusstsein verankert ist, zeigte sich zuletzt beim lettischen Sängerfest im Juni 2017, als tausende Mitglieder lettischer Sangesgruppen aus aller Welt in der Stadt ihr Sangesfest begingen. Die Zeiten des Exils waren da schon lange Vergangenheit. Am 21. August 1991 erlangte Lettland die Unabhängigkeit. Im Jahr 2004 wurde die Republik Mitglied der Europäischen Union.