Unter heftigen Protesten aus der Bevölkerung sind im vergangenen Jahr Bäume und Sträucher im Naturschutzgebiet Eichenhain in Stuttgart-Sillenbuch gefällt und gestutzt worden. Nun vermeldet die Stadt positive Nachrichten – und schickt wieder Waldarbeiter hin.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Riedenberg - Seit dieser Woche wird im Eichenhain wieder gesägt und gestutzt. Was das in der Bevölkerung auslösen kann, wissen die Mitarbeiter der Stadt nur zu gut. Deshalb haben sie schon Tage, bevor es losging, eine Mitteilung veröffentlicht. „Wir werden schon kritisch beobachtet“, sagt Renate Kübler vom Amt für Umweltschutz. Als im vergangenen Jahr im Vorzeigenaturschutzgebiet Stuttgarts die Sägen dröhnten, war der Teufel los. Bürger protestierten öffentlich und übersäten den Eichenhain mit Grablichtern – als Ausdruck ihrer Trauer.

 

Renate Kübler berichtet von etlichen Briefen, Anrufen und E-Mails. „Wir haben alle beantwortet“, sagt sie. Manche hätten die Argumente der Stadt verstanden. Es hätten sich übrigens nicht nur Kritiker gemeldet, sondern auch Menschen, die dem Rückschnitt des Wildwuchses im Naturschutzgebiet wohlwollend gegenüberstanden. „Die sind aber leider nicht an die Öffentlichkeit gegangen“, sagt Kübler. Derlei heftige Reaktionen aus der Bevölkerungen sind nicht alltäglich. Der Eichenhain ist den Leuten offenbar besonders ans Herz gewachsen. „Die Leute sind sehr verwurzelt mit dem Eichenhain“, sagt Kübler. Die Menschen verbinden laut ihr sicher viele Erinnerungen mit dem Gebiet. „Aber sie haben vergessen, wie es in den 50er Jahren ausgesehen hat.“ Über die Jahre sei doch vieles zugewuchert. Auch Naturschutz braucht Pflege, selbst wenn sich dies auf den ersten Blick widerspricht.

Wichtige Hecke für Vögel und Insekten

Nun also die Meldung, dass im Eichenhain neuerlich zurückgeschnitten wird. „Gefällt wird nur am oberen Rand zwischen Hauptweg und Eichenparkstraße“, teilt das Amt mit. Am Ostrand des Naturschutzgebietes werden Bäume und Sträucher, die nicht heimisch sind, entfernt. Zudem werden Hecken gestutzt, damit sie wieder mit neuer Kraft austreiben können. „Dies ist notwendig, um die für viele Insekten und Vögel wichtige, schlehenreiche Hecke langfristig zu erhalten.“ Und, ganz wichtig: „Alte Eichen sind nicht von den Maßnahmen betroffen.“

Als Kahlschlag haben die Kritiker die Maßnahmen von vergangenem Jahr verurteilt. Was dieser bringen kann, haben laut Stadt die zurückliegenden Monate gezeigt. Denn im Eichenhain sind offenbar erste Erfolge für Flora und Fauna zu verbuchen. Die Magerrasenarten hätten sich bereits messbar erholt. Weil inzwischen weniger der Fläche im Schatten liege, haben beispielsweise rare Pflanzen wie Hauhechel, Sonnenröschen oder Golddistel in der zurückliegenden Saison hie und da wieder geblüht, erzählt Renate Kübler vom Amt für Umweltschutz. Zudem hätten die Inspektoren auch das Helm-Knabenkraut, eine seltene Orchideenart, blühen gesehen.

So gut das klingt: Es ist erst der Anfang

Aber nicht nur die Pflanzenwelt im Eichenhain atme seit dem vergangenen Jahr auf. Gute Nachrichten gibt es zudem vom Großen Heidegrashüpfer zu vermelden. Diese Heuschreckenart hopse nach Angaben der Stadt in Stuttgart nur noch im Eichenhain herum. Der Grashüpfer sei von einigen wenigen Exemplaren im Jahr 2016 inzwischen auf eine Population von mehr als 150 Stück angewachsen. So gut das klingt, es ist erst der Anfang. Bis sich der Magerrasen erholt habe, könnten bis zu zehn Jahre ins Land ziehen. „Wir hoffen natürlich, dass es schneller geht“, sagt Renate Kübler. Deshalb helfen die Behörden etwas nach. Zum Beispiel, indem die Samen der nun wieder blühenden Arten von Hand auf bisher karge Flächen verteilt würden.

Zur Genesung des Eichenhains tragen aber auch Schafe bei. In den vergangenen Jahren graste neben den alten Eichen die Herde einer Schäferin. Ihr hat die Stadt Stuttgart allerdings vor noch nicht allzu langer Zeit ein Tierhaltungsverbot erteilt. Die Verwaltung bemühe sich um eine andere Schafherde, sagt Renate Kübler. Und es zeichne sich ab, dass es klappt. Allerdings müsse zunächst eine einjährige Pause eingelegt werden. Die Tiere, die bisher dort weideten, seien stark von Parasiten befallen gewesen. Diese müssten erst absterben. Renate Kübler rechnet nicht damit, „dass wir vor nächstem Herbst guten Gewissens dort Tiere drauflassen können“.