Vor 185 Millionen Jahren jagte er noch im Jurameer nach Tintenfischen – jetzt hat der Schwäbische Seedrache einen Ehrenplatz im Eislinger Rathaus ergattert.

Region: Corinna Meinke (com)

Eislingen - Als der Drache ohne Schwanz könnte der Schwäbische Leviathan in die städtischen Annalen eingehen, der jetzt in das neue Eislinger Rathaus verfrachtet worden ist. Vor 185 Millionen Jahre jagte der Seedrache wohl im Schwäbischen Jurameer umher, nun sollen seine versteinerten Überreste, stellvertretend für zahllose Artgenossen vom Eislinger Saurierfriedhof, den Ratssaal der Kommune schmücken. Als Saurierfriedhof werden die zahlreichen Überreste von Fischsauriern bezeichnet, die in den Jahren 2002 bis 2004 bei den Bauarbeiten für die Bundesstraße 10 in Eislingen-Süd gefunden worden waren.

 

Eigentlich müsste der Seedrache noch länger sein

„Das Schwanzteil ist offenbar damals den Baumaschinen zum Opfer gefallen“, erklärt Christoph Speiser, der zum Vorstandsteam des Fördervereins Eislinger Saurierfunde (FES) gehört und das Fossil in schier unermüdlicher Geduld über Jahre hinweg präpariert hat.

Eigentlich müsste der Schwäbische Seedrache, den die Wissenschaftler Suevo Leviathan getauft haben, sieben bis acht Meter lang sein, schätzt Speiser. Doch als die Versteinerung im Jahr 2003 von dem Fossiliensammler Matthias Grupp an einer Böschung nahe der Saurierbrücke über die neue Trasse der B 10 bei Eislingen gefunden wurde, waren die Bauarbeiten schon so weit fortgeschritten, dass nur noch Kopf und Torso geborgen werden konnten.

Die Wirbel lagen verstreut herum

Offenbar durch einen puren Zufall ist der Finder dem schwanzlosen Drachen auf die Spur gekommen. Von Weitem hätten die großen Wirbel des Sauriers nämlich lediglich wie Coladosen ausgesehen, die verstreut auf der noch nicht fertiggestellten Fahrbahn gelegen hätten, zitiert Speiser den Finder Grupp. Das Fossil selbst konnte daraufhin in der besagten nahe gelegenen Böschung entdeckt und geborgen werden.

In die von 50 000 Menschen besuchte Ausstellung „In einem Meer vor unserer Zeit“, die die spektakulären Funde 2006 in der Eislinger Stadthalle präsentierte, hat es der Seedrache allerdings nicht geschafft. Er verschwand fast zehn Jahre lang unbeachtet im Magazin des Stuttgarter Museums für Naturkunde am Löwentor. Die Stuttgarter hatten ihn als nicht präparierbar und wenig hilfreich für die Wissenschaft eingestuft, weil er stark verwittert war, erklärt Speiser. Der anfangs schlechte Zustand deute darauf hin, dass das Reptil, das mit seinem rund ein Meter langen zahnbewehrten Maul zu Lebzeiten vor allem Tintenfische jagte, nach seinem Tod in einer grundwasserführenden Schicht gelegen habe.

Harzkleber und Gewindestangen geben Halt

Jahre später wurde den Eislinger Hobbypaläontologen bei einem ihrer Besuche in dem Stuttgarter Museum der Seedrache eher beiläufig als Dauerleihgabe angeboten, „und das war für uns wie ein Geschenk des Himmels“, erinnert sich Speiser, der sich, gesponsert von dem Förderverein, voller Begeisterung in die Aufgabe stürzte. Zunächst wurde der Drache gedreht, um an die etwas besser erhaltene Unterseite zu gelangen, mit der das Tier im Schlamm des Jurameers gelegen hatte. Dann galt es die Gesteinsschicht über dem Fossil abzutragen und die Gestalt des Seedrachens freizulegen. Jetzt prangt der gut dreieinhalb Meter lange und eine Tonne schwere Torso, den Speiser mit 18 Kilogramm Harzkleber und 26 Gewindestangen stabilisiert hat, in seinem Gipsbett auf einer mächtigen Holztafel. „Ich habe ihn auf Show- und auf Fernwirkung hin präpariert“, erklärt der pensionierte Geographie- und Biologielehrer, der inzwischen rund 400 Stunden in der Gesellschaft des Seedrachens verbracht hat. Das Handwerk hatte er sich bei einem befreundeten Präparator abgeschaut.