2018 war ihr 25. Jahr hier als Revierförster. Der Wald steht noch – aber was hat sich verändert in dieser Zeit?

 

Das Revier Heimerdingen ist mir ans Herz gewachsen. Worin wir heute investieren, finden unsere Urenkel einmal als Wald vor. Die Digitalisierung ist auch bei uns im Büro angekommen. Die Verwaltung machen wir heute am Computer. Der Beruf des Försters ist attraktiv wie eh und je.

Werden Sie angegriffen, wenn im Wald die Motorsägen kreischen?

Ich hatte nie Probleme mit kritischen Besuchern. Heute wird viel stärker kritisch wahrgenommen, was wir tun. Ich stelle mich der Diskussion und nehme mir die Zeit, auch samstags, den Leuten im Wald zu erklären, warum wir was machen.

Sind die Beschwerden häufiger geworden, gehen die Leute bewusster in den Wald und schauen sich um, was geschieht?

In den vergangenen Tagen hat es lange geregnet. Damit ist das Problem Trockenheit wohl erledigt. Oder?

So denken viele. Die Wahrheit aber ist eine andere: Der Regen, den Sie meinen, war eigentlich nur ein müdes Getröpfel – wenn man es im Verhältnis zu dem sieht, was fehlt. Die Böden sind metertief ausgetrocknet, bis jetzt ist nur die oberste Handbreit feucht. Das reicht für dreckige Schuhe, aber nicht viel weiter. Um genügend Feuchtigkeit in die Tiefe des Bodens zu bekommen, muss es wochenlang ganz leicht regnen.

Es gab doch aber auch Schädlinge, nicht nur extreme Trockenheit.

Die Schäden durch den Borkenkäfer an der Fichte blieben überschaubar. Wir haben befallene Fichten rasch geschlagen und aus dem Wald genommen. Auch da sind wir mit einem blauen Auge davongekommen.

Mussten Sie mehr Bäume fällen als geplant?

Nein. Wir haben vorgesehene Einschläge von gesundem Holz verschoben. Das geschlagene befallene Holz war gerade soviel, wie wir ursprünglich vorhatten zu fällen.

Wie hat sich die extreme Trockenheit sonst noch ausgewirkt? Ist Unterholz abgestorben, sodass Wild jetzt weniger Deckung hat?

Nein. Das Unterholz bilden Bäume der nächsten Baumgeneration. Die haben normalerweise schon tiefe Wurzeln. Da gibt’s keine Probleme.

Hat sich der fehlende Regen auf das Wild ausgewirkt?

Wild trinkt nicht aus Pfützen, es nimmt seinen Wasserbedarf aus der Nahrung. Das Gras war eigentlich immer grün. Das Wild hatte genügend feuchtes Frischfutter.

Nochmals zu den Bäumen. Hatten Sie in den Jungbaumschonungen mehr Ausfälle als in normalen Jahren?

Die Eichen haben mich positiv überrascht. Wir stellen unsere Nachpflanzungen zeitlich um. Das haben wir früher ausschließlich im Frühjahr gemacht, jetzt pflanzen wir eher schon im Herbst. Wurzeln wachsen, wenn der Boden nur sechs Grad hat. Wir können von Oktober an pflanzen. Auch das hilft den jungen Bäumen am Anfang.

Wie setzt sich der Wald in Ihrem Revier in Ditzingen und Hemmingen zusammen?

85 bis 90 Prozent sind Laubbäume, der Rest sind Nadelbäume, vor allem Fichten und Douglasien. Die Fichte wird aussterben, die Douglasie das Rennen unter den Nadelhölzern machen. Bei den Laubhölzern haben Eiche und Buche jeweils etwa 35 Prozent. Das heißt: In Hemmingen, Ditzingen oder Münchingen ist jeder dritte Baum eine Eiche, dazu kommen ebenso viele Buchen. Alle anderen Baumarten verteilen sich auf den restlichen Anteil.

Müssen Sie Konsequenzen aus der extremen Witterung ziehen? Die soll ja vielen Vorhersagen nach auch in den nächsten Jahren warm und trocken sein.

Wir müssen langfristig denken. 50 Jahre sind ja für einen Förster eigentlich nichts. Eichen werden 200 Jahre alt. Wir müssten jetzt abschätzen, wie das Klima in 200 Jahren ist. Das ist aber nicht möglich. Es wird sicherlich nicht kühler und feuchter, sondern eher trockener und wärmer, gerade im Sommer. Wir pflanzen die Baumarten, die mit der Klimaveränderung am besten klarkommen. Das ist bei uns die Traubeneiche.

Haben Sie damit schon angefangen?

Ja. Wir ersetzen damit die Eschenbestände. Die gehen uns wegen des Eschentriebsterbens ein.

Zurück zum Borkenkäfer. Waren in diesem Jahr Schädlinge stark verbreitet?

Der Borkenkäfer befällt die Fichte. Da wir davon aber nur zehn Prozent im Bestand haben, tun wir uns leichter, als wenn das Revier nur aus Fichten besteht. Wir hatten den Käfer gut im Griff. Wir sind jede Woche durch die Fichtenbestände gegangen. Man erkennt den Schädling leicht an braunem Bohrmehl am Fuß des Baumes oder in Spinnweben. Dann ist der Baum befallen, er muss von uns rasch gefällt und aus dem Wald entfernt werden.

Es gibt das Konzept, wie im Nationalpark Harz, den Borkenkäfer nicht als Feind zu betrachten, sondern als Helfer des Försters: Er bringt die Fichten zum Absterben, man sägt sie um, lässt sie liegen und dann die nachwachsenden Laubbäume hochwachsen.

Das kann man in nadelholzreichen Beständen machen. In unserem laubholzgeprägten Bereich ist das nicht sinnvoll. Einzelne abgestorbene Bäume, die der Borkenkäfer verlassen hat, lassen wir als Lebensraumbaum stehen, beispielsweise für den Specht. Auch mehrere abgestorbene Bäume auf einem Fleck dürfen als Totholz stehen bleiben. Das nützt. Wenn es wärmer und trockener wird, tut dies der Fichte nicht gut, sie wird weiter reduziert werden.

Wie lange lebt die Fichte normalerweise?

Etwa 80 bis 100 Jahre, wir haben seit 30 Jahren keine mehr gepflanzt. Wir schauen, dass die vorhandenen weiterleben und wir sie irgendwann gut verkaufen können. Denn sie werden gebraucht, beispielsweise von Zimmerleuten für Dachstühle. Bevor dafür Fichten aus Nord- oder Osteuropa importiert werden, bieten wir dieses Holz lieber selber am Markt an. Wir wollen unsere Fichten und andere Nadelhölzer planmäßig nutzen.

Heißt das: Durch die Mischstruktur, durch das seltene Vorkommen von gefährdeten Fichten ist es wenig wahrscheinlich, dass hierzulande der Wald großflächig abstirbt?

Jedenfalls geringer als im Reinbestand.

Besucher sind kritischer geworden

2018 war ihr 25. Jahr hier als Revierförster. Der Wald steht noch – aber was hat sich verändert in dieser Zeit?

Das Revier Heimerdingen ist mir ans Herz gewachsen. Worin wir heute investieren, finden unsere Urenkel einmal als Wald vor. Die Digitalisierung ist auch bei uns im Büro angekommen. Die Verwaltung machen wir heute am Computer. Der Beruf des Försters ist attraktiv wie eh und je.

Werden Sie angegriffen, wenn im Wald die Motorsägen kreischen?

Ich hatte nie Probleme mit kritischen Besuchern. Heute wird viel stärker kritisch wahrgenommen, was wir tun. Ich stelle mich der Diskussion und nehme mir die Zeit, auch samstags, den Leuten im Wald zu erklären, warum wir was machen.

Sind die Beschwerden häufiger geworden, gehen die Leute bewusster in den Wald und schauen sich um, was geschieht?

Viele Leute nutzen den Wald als Erholungsraum, zum Hund ausführen, zum Joggen. Sie fragen heute interessierter und kritischer als früher. Das ist aber kein Fehler. Die Politik fordert, dass man sich als Bürger beteiligt. Ich habe keine Probleme damit, mache auch Führungen für Naturschutzgruppen und beantworte gerne jede Frage.

Der Wald ist ja auch ein Wirtschaftsfaktor.

Der finanzielle Aspekt spielt bei uns im Strohgäu eine absolut untergeordnete Rolle. Um Umsatz zu machen, schlagen wir nicht mehr Holz als nachwächst. Die Kommunen sind froh, wenn wir eine schwarze Null schreiben, aber auch ein gewisser Abmangel wird toleriert. Die Erholungs- und Schutzfunktion des Waldes hat Vorrang.

Gehen die Besucher heute anders um mit dem Wald als vor 25 Jahren?

Insgesamt umsichtiger, auch wenn Privatleute als Käufer Holz rausholen. Oder die Arbeitssicherheit: Schutzkleidung und ein Motorsägen-Kurs sind heute Standard, das kannte man vor 25 Jahren nicht. Diese Kurse können übrigens hier im Revier Heimerdingen am Stützpunkt besucht werden.

Stören Extremsportler im Wald?

Es gibt Menschen, die sich an Vorschriften halten, und Menschen, die das nicht tun.

Kurven bei Ihnen Mountainbiker kreuz und quer zwischen den Bäumen herum?

In den Wäldern von Ditzingen, Hemmingen und Korntal-Münchingen ist das kein Problem, wegen der Topografie; es geht nicht wirklich bergab. Das ist zum Beispiel in Stuttgart anders. Kreuz-und-quer-Herumkurverei spielt hier kaum eine Rolle.

Ihr Fazit zum Verhalten der Besucher?

Intensivere Beschäftigung mit der Natur kann zu Umsicht führen. Aber auch zum Gegenteil, nach dem Motto „Der Wald gehört mir, ich benutze ihn nach Lust und Laune“. Müll im Wald war vor 25 Jahren kein solches Problem wie heute. Es gibt auch Menschen, die ihren Hund die Rehe aufscheuchen und herumjagen lassen. Wir versuchen, mit den Leuten zu reden.

Sie sind in Ihrem Amt 25 Jahre älter geworden, der Wald auch.

Der Wald hatte früher mehr alte Bäume als heute. Wir setzen auf natürliche Verjüngung. Wenn ein Förster so lange auf einer Stelle ist wie ich, bedeutet das Kontinuität. Wer so lange da ist, kann das Verhalten der Bäume über Jahre beobachten und angemessen reagieren, wie ich es geschildert habe. Wir nutzen auch ehemalige Baumschulen, um Weihnachtsbäume anzupflanzen. Auch da dürfen die Bäume wachsen, wie sie wollen. Sie wachsen zum Glück immer nach oben.

Das Amt
Steffen Frank, 55, ist seit Dezember 1993 der Leiter des Forstreviers in Ditzingen-Heimerdingen. Er hat vor wenigen Tagen sein 25-jähriges Jubiläum auf dieser Stelle begangen. Zuvor war er bereits mehr als sechs Jahre lang der Büroleiter des Forstamtes. Frank ist Diplom-Forstwirt. Für ihn war sein Berufsziel schon während der Schulzeit klar.

Das Revier
Das Revier Heimerdingen umfasst die Gemarkung der Stadt Ditzingen, dazu Hemmingen, Korntal und Münchingen sowie im Osten noch Ludwigsburg-Poppenweiler. Die Fläche des Reviers beträgt rund 850 Hektar. Es ist damit nur etwas größer als das zweite große Revier im Strohgäu, an dem die Stadt Gerlingen einen Anteil von 800 Hektar hat. Das Revier Heimerdingen hat drei fest angestellte Mitarbeiter, es beschäftigt zudem freie Unternehmer als Partner. Anmeldungen zu Motorsägenkursen unter Telefon 0 71 52/5 24 88.

Die Eigentümer
Der Wald im Forstrevier Heimerdingen gehört zu großen Teilen der Stadt Ditzingen und der Gemeinde Hemmingen, sowie der Stadt Korntal-Münchingen. Privatleute haben mit zehn und der Staat mit 20 Hektar nur kleine Anteile am Besitz. kwa