Beim schwersten Terroranschlag in der Geschichte Frankreichs vor einem Jahr starben 130 Menschen in Paris, viele davon im Konzertsaal Bataclan. Dieser wurde jetzt wieder eröffnet mit einem Konzert des britischen Musikers Sting.

Paris - Als Francois Hollande am Sonntag vor dem Bataclan eintrifft, ist er bereits zwei Stunden unterwegs. Der Pariser Konzertsaal ist der sechste und letzte Schauplatz des Schreckens, den der Staatschef aufsucht. Ein Jahr zuvor hatten hier 90 Menschen im Maschinenpistolenfeuer eines Terrorkommandos ihr Leben gelassen. Insgesamt 130 Tote und 413 Verletzte waren an jenem 13. November 2015 zu beklagen, dem Tag der schwersten Anschläge in der französischen Geschichte. Das Gedenken erschöpft sich in Gesten. Auf regennassem Asphalt schreiten der Präsident und die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo zu einer vor dem Eingang aufgestellten Gedenktafel. Hinterbliebene verlesen die auf Marmor eingravierten Namen der Opfer. Hollande und Hidalgo legen einen Kranz nieder. In der sich anschließenden Schweigeminute scheinen die Namen der Ermordeten noch einmal dumpf nachzuhallen.

 

Beginn mit einer Schweigeminute

Am Vorabend war hier ebenfalls der Opfer gedacht worden, wenn auch nicht in aller Stille. Der britische Rocker Sting hatte den ein Jahr lang verwaisten Bataclan wieder zu dem gemacht, was er war und auch wieder sein soll: ein Ort, wo Musiker und Publikum einander schon räumlich näherkommen als in anderen Pariser Konzertsälen. Angehörige und Freunde der Opfer, Überlebende des Massakers sowie Hunderte von Fans waren zur Wiedereröffnung gekommen. Dankbar ergriff so mancher der 1500 Zuhörer die Gelegenheit, bleierne Schwere abzuschütteln, den Blick nach vorn zu richten. Gewiss, auch Sting begann verhalten. Mit seiner stets leicht heiser wirkenden Stimme rief auch er zu einer Schweigeminute auf. Es folgte „Fragile“, ein zerbrechlich-zärtlich anmutender Song, der mit klagenden Klängen des Trompeters Ibrahim Maalouf ausklang.

Der Ausnahmezustand wird verlängert

Doch dann kehrte der Rocker eben entschlossen zu seinen Wurzeln zurück. Hits wie „Roxanne“ oder „Every breath you take“ ließen den Saal erbeben. Und auch wenn so manchem Zuhörer Tränen in den Augen standen, die Versammelten ließen sich mitreißen, sie klatschten, sie tanzten. „Wir haben an diesem Abend zwei Aufgaben“, hatte Sting zum Auftakt gesagt. „Denen zu huldigen, die ihr Leben verloren haben, und in diesem historischen Saal das Leben zu feiern.“ Der Sänger und das Publikum haben beides ganz vortrefflich bewältigt. Was nicht heißt, dass in Frankreich nun Entwarnung angesagt wäre. Regierungschef Manuel Valls hat am Wochenende zu verstärkten Sicherheitsanstrengungen aufgerufen und eine weitere Verlängerung des nach den Anschlägen vom 13. November verhängten Ausnahmezustands angekündigt. Dabei hat das Land längst entschlossen aufgerüstet, sich ein Arsenal gegen den Terror zugelegt, von dem man nur hoffen kann, dass es nicht eines Tages weniger demokratisch gesinnten Regierungen in die Hände fällt. Ein Anti-Terror-Gesetz folgte auf das andere. Geheimdienste, Armee, Polizei und Strafvollzug sind vom Gesetzgeber mit neuen Vollmachten ausgestattet worden. So sind Fahnder mittlerweile befugt, ohne richterliche Genehmigung ganze Gegenden flächendeckend abzuhören.

Hier entlang: wie Frankreich der Opfer gedenkt

Der Einsatz von zu Spionagezwecken konzipierter Software ist zulässig. Voraussetzung ist allein, dass gewichtige politische, wirtschaftliche oder wissenschaftliche Interessen auf dem Spiel stehen oder die Maßnahmen dem Kampf gegen den Terror dienen. Die Sondereinsatzkommandos wurden aufgestockt. Sie sind nun in der Lage, jeden Ort im Lande binnen 20 Minuten zu erreichen. Ausweiskontrollen dürfen mit vierstündigem Polizeigewahrsam einhergehen. Die zulässige Dauer der Untersuchungshaft wurde erhöht, für Minderjährige auf zwei, für Erwachsene auf drei Jahre.

Keine Straferleichterung

Und auch die Strafen wurden verschärft. Wer wegen Zugehörigkeit zu einer terroristischen Vereinigung belangt wird, riskiert 20 bis 30 Jahre Gefängnis ohne jedwede Straferleichterung gegen Ende der Haft. Verurteilte, die als besonders gefährlich gelten, haben ihre Strafe in 190 über das ganze Land verteilten Isolationshaftzellen abzusitzen. Was Menschenrechtsorganisation mit Unbehagen verfolgen, erfreut sich in der Bevölkerung breiter Zustimmung. Laut einer am Wochenende veröffentlichten Umfrage des Instituts Ifop halten 96 Prozent der Franzosen die Anschlagsgefahr für hoch.